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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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Zähne, das Drohen der Krallen, als er das Schwert schwang und ihm den Kopf mit einem einzigen Hieb abtrennte. Blut schoss aus verletzten Organen. Der Kadaver des Wolfes fiel um, zuckte, und der Geist in ihm war ausgelöscht.
    Er vernahm ein Heulen, das von keinem Tier stammte, nur der Kehle eines Tiers entrungen war.
    Conn setzte über den Kadaver hinweg, weitere Schatten wahrnehmend, weitere Kämpfe um sich herum, Knurren, Heulen, das Krachen von Knochen und Stahl.
Bitte, Gott.
Er rannte den Pfad hinauf, zwischen die Findlinge.
    Und erstarrte bei dem Anblick, der sich ihm zwischen den Felsen bot.
    Lucy.
Und Iestyn. Sie standen Rücken an Rücken, zwei Strichmännchen, die wirkten, als könnte eine Windbö sie umblasen. Ihre Gesichter waren vor Angst oder vom Blutverlust ganz fahl. Der rechte Arm des Jungen baumelte herab, dunkel und unbrauchbar.
    Conn atmete ein. Der Geruch von Schwefel und versengtem Haar kratzte in seinem Rachen. Lucys zerzaustes Haar flatterte im Wind wie eine Kriegsstandarte. Blut befleckte ihren Rock. Sie stand seltsam verrenkt da, mit breiten Beinen über einem zerknautschten Fetzen, einem Spielzeughund, aus dem die Füllung quoll.
    Conn schnürte es die Brust zusammen.
    Sie schwankte wie ein müdes Pferd, die bloßen Hände erhoben. Keine Waffe. Und dennoch waren sie umgeben von einer schwarzen, blutigen Ernte aus toten Wölfen – wie die Bäume dort unten von Fallobst.
    Und darüber hinaus …
    Die Felsen quollen über vor Dunkelheit.
    Conn brüllte und griff hügelaufwärts an.
    Die Szene schien zunächst zu zögern und löste sich dann in einer Welle aus Lärm und hitzigem Getümmel auf. Adrenalin wurde ausgeschüttet. Die Zeit geriet ins Stocken. Conn holte aus und stach zu, schlitzte Kehlen auf. Luftröhren. Schnelle, harte, blutige Arbeit. Dämonen waren unsterblich, aber wie das Feuer, dem sie entsprungen waren, brauchten sie Sauerstoff zum Überleben. In einem Wirt, der nicht atmete, konnten sie nicht bleiben. Um sich herum hörte er Knurren, Grollen und dumpfe Schläge.
    Die Wölfe zogen sich zurück.
    Die Wächter nahmen die Verfolgung auf.
    Conn betrat den Kreis der Toten und zog Lucy in seine Arme, in dem sehnlichen Wunsch, sie zu berühren, sich zu vergewissern, dass sie außer Gefahr war. Sie warf sich zur gleichen Zeit ihm entgegen, schlang ihre Hände um seinen Hals, ihren Körper eng an den seinen gedrückt. Das schweißnasse Gesicht an seiner Brust vergraben, zitterte sie so heftig, dass sein eigenes Beben verborgen blieb. Ihre Tränen brannten in seiner Kehle. Seine unsicheren Hände tasteten sie hastig ab, Schultern, Rücken, Rippen. Sie war unversehrt. Blutete nicht. Kein Bruch.
Danke, Gott.
    »Es tut mir leid«, murmelte sie an seinem Hals. »So leid.«
    Wofür entschuldigte sie sich?
    »Schsch.« Er streichelte sie. »Du bist jetzt in Sicherheit.«
    Er hob den Kopf und begegnete Morgans Blick. Die Lippen des Finnlords kräuselten sich. Conn wurde sich plötzlich bewusst, dass er seine Menschengeliebte vor den Augen seiner versammelten Wächter umarmte. Seine Hände umschlossen sie noch fester. Er erwiderte ausdruckslos Morgans starren Blick.
Ich werde sie nicht aufgeben.
    Seine kleine Einheit kehrte einzeln und zu zweien zurück. Sie hatten die Wölfe erschlagen und die Dämonen über die Klinge springen lassen.
    Conn sah auf Lucys Scheitel hinab. Wie hatten sie und Iestyn die Wölfe so lange in Schach halten können?
    »Iestyn …«, sagte sie.
    »Ihm geht es gut. Alles wird wieder gut. Tapferes Mädchen.«
    Sie wich zurück. »Ich war nicht tapfer.«
    »Sie haben mich beschwindelt«, ließ sich Iestyn hinter ihr hören.
    »Es tut mir leid«, wiederholte sie. Die Augen standen groß in ihrem Gesicht.
    War sie besessen?
Nein.
Dann …
    Ihr Blick fiel auf Madadh, der reglos zu ihren Füßen lag.
    Ah.
Verstehen bohrte sich in Conn wie eine Klinge, ritzte seine Rippen und stieß in sein Herz.
    »Es ist schon gut«, log er sanft.
    Alle Lebewesen starben. Wenigstens hatte er nicht sie verloren. Diesmal.
    Er ging neben dem Hund in die Hocke und legte die Hand auf Madadhs Kopf. Die Knochen zeichneten sich scharf unter dem blutverklebten Fell ab. Der Atem des Hundes rasselte warm und schwach, seine goldenen Augen waren bereits glasig. Seine Hinterläufe zuckten, als würde der Hund unter dem Arbeitstisch seines Herrn vor dem Feuer träumen.
    Conns Augen brannten vor körniger Trockenheit. Er weinte nicht. Selkies vergossen keine Tränen. Es war nur ein Hund, ermahnte er sich.

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