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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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der Sturm der Kraft, zu gewaltig, um ihn im Zaum zu halten oder zu kontrollieren.
    »Iestyn fing dich auf, als du fielst«, fuhr Conn mit unbewegtem Gesicht fort. »Und als er dich berührte, heilten seine Wunden.«
    Ihr Mund wurde trocken. Sie konnte nicht sprechen.
    Iestyn kniete vor ihnen. Sein Gesicht war weiß vor Ergriffenheit. Er nahm ihre schlaffe, feuchte Hand mit seinem unverletzten rechten Arm – sie bemerkte die schwarzen Halbmonde aus Blut unter seinen Nägeln – und drückte die Rückseite ihrer Finger an seine Stirn.
    »Targair inghean«,
sagte er mit erstickter Stimme.
    Lucy biss sich auf die Lippen. »Ähem.«
    Iestyns Worte wurden nach außen getragen, verstärkt von den Felsen, aufgegriffen und wiederholt von verschiedenen Personen – Wächtern –, die sie umstanden. Warteten. Worauf warteten sie? Sie erkannte Griff, der sie mit zurückhaltendem Stolz anlächelte, und den großen Mann mit dem silberblonden Haar, der sie Conns Zuchtstute genannt hatte.
    Sie hob das Kinn. Er begegnete ihrem Blick. Seine Augen waren golden wie die von Iestyn. Ein sonderbares kleines Lächeln umspielte seine Lippen, bevor er den Kopf neigte.
    Sie grub die Finger tiefer in Madadhs drahtiges Fell.
    Griff trat vor. Er ging nicht auf die Knie wie Iestyn. Aber auch er verbeugte sich, ergriff ihre Hand und führte sie an seine Stirn.
»Targair inghean.«
    »Fangen Sie erst gar nicht damit an«, bat sie.
    »Das ist eine Ehrenbezeigung«, erklärte Conn.
    Sie wandte den Kopf zu ihm. »Warum? Was sagen sie? Was bedeutet es?«
    »Du bist die Tochter der Atargatis.«
    »Na und?«, fragte sie befremdet. »Das wussten wir doch schon.«
    »Die verheißene Tochter«, ergänzte Conn würdevoll. »Die
targair inghean.
Die, von der die Prophezeiung sagt, dass sie das Gleichgewicht der Kräfte ändern und unser Volk retten wird.«
     

[home]
    15
     
    Lucy zog die türkisfarbene Robe enger um sich. Sie mochte die Art nicht, wie Conn sie ansah – nicht wie die Frau, die er im Bett haben wollte, sondern als wäre sie ein Rätsel, das er noch nicht ganz gelöst hatte.
    Er lümmelte auf dem thronartigen Lehnstuhl in seinem Schlafzimmer auf der anderen Seite des Kamins und beobachtete sie zwischen seinen dichten schwarzen Wimpern hervor.
    Er blieb verschwunden, während die Mitglieder seines Hausstands mit heißem Wasser, Handtüchern und Tee um sie herumgewuselt waren. Sie hatten sie mit »Lady« und
»targair inghean«
angesprochen, auch wenn sie sie gar nicht kannte. Kera schien aufgewühlt zu sein, und Roth gab sich kleinlaut. Keiner ihrer dienstbaren Geister konnte sie so aufmuntern, wie Conn es vielleicht getan hätte, oder necken wie Iestyn oder ihre Fragen beantworten wie Griff.
    Sie verstand Conns Bedürfnis, sich mit seinen Wächtern einzuschließen. Sie verstand es und nahm es ihm übel.
    Nun, da er endlich gekommen war, fühlte sie sich nur wie ein weiterer Posten, den er auf seiner Liste abhaken wollte.
    Jenseits der Turmfenster glühte der Himmel rosa und orange und so grell wie die Rosen zu Hause am Strand.
    Sie hatte ihn um Zeit gebeten.
    Aber es blieb keine Zeit. Die letzten paar Tage waren ihr durch die Finger geglitten wie eine Kette aus großen Perlen, jede einzelne kostbar, vollkommen, strahlend, ganz. Nun war die Kette durchtrennt, und sie konnte nur noch nach dem greifen, was sie miteinander geteilt hatten, bevor sie es verloren hatten.
    Was sie miteinander geteilt hatten …
    Sie war nicht seine Zuchtstute, was auch immer diese Wächter gesagt haben mochten. Sie war … was? Wie sah er sie jetzt? Was wollte er von ihr?
    Sein schwarzes Haar glänzte noch vom Bad. Sein Gesicht hatte wieder den üblichen, undurchschaubaren Ausdruck angenommen. Trotz seiner ausgestreckten Beine und den halb geschlossenen Augen konnte sie eine Anspannung spüren, die von ihm ausging wie die Hitze von dem brennenden Feuer.
    »Wie alt warst du«, fragte Conn ruhig, »als du die See zu fürchten gelernt hast?«
    Die leidenschaftslose Freundlichkeit in seiner Stimme zerriss ihr das Herz. Sie umfasste ihre Ellbogen. »Ich kann mich nicht …«
    Erinnern.
Die Lüge erstarb auf ihren Lippen.
    Heute hatte sie Dämonen ins Auge blicken müssen. Da konnte sie sich doch sicher auch ein paar Erinnerungen stellen?
    Sie sah Conn ins Gesicht, in dem sich seine Königswürde hart abzeichnete. Sie konnte wenigstens versuchen, sich seiner und ihres neuen Titels würdig zu erweisen.
    »Elf«, sagte sie plötzlich. »Ich war elf.«
    »Ein schwieriges

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