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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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geraten war, war mein Gegenüber
Cyril gewesen, und schon da hatte ich mich eher lächerlich gemacht,
als dass ich mit meinem Ausraster eine nennenswerte
Wirkung erzielt hätte.
    Nein, ich hatte wirklich nicht vor, mich in aller Öffentlichkeit
zu blamieren, und so biss ich die Zähne zusammen und
wandte mich ab.
    Ich war mir absolut sicher, dass Javen Spinx sehr genau
wusste, wer ich war. Er wollte mich nicht kennen. Und er wollte
auch nicht erkannt werden. Dafür musste es einen Grund
geben – allerdings einen, der nicht im Geringsten damit zu
tun hatte, dass er ein prominenter Meeresbiologe und Umweltschützer
war!
    Wie benommen tappte ich auf die Kante des Bürgersteigs
zu, richtete meinen Blick über die vorbeifahrenden Autos hinweg
auf die gegenüberliegende Straßenseite und erstarrte.
    Gordy war verschwunden.

Meine Knie waren puddingweich und mein Puls raste wie verrückt,
als ich die Straße überquerte und auf die Bushaltestelle
zulief. Auch hier traf ich Gordy nicht an. Natürlich nicht!
Keine Ahnung, was er gesehen hatte, letztendlich spielte das
im Detail wohl auch kaum eine Rolle, Tatsache war: Ich hatte
ihn einfach stehen lassen und eine Zeit lang sogar völlig vergessen.
Allein das war schon schlimm genug. Dass ich vermutlich
mit einem Hainix gesprochen hatte und dazu noch fast überfahren
worden wäre, setzte der Sache jedoch die Krone auf. Ich
ahnte, was in Gordy vorging, und konnte nur hoffen, dass er
mir auch diesmal verzieh. Mein Herz hielt dieses ständige Auf
und Ab nicht mehr aus. Ich ertrug es nicht, ihn immer wieder
zu verlieren. Und ich wollte alles, wirklich ALLES dafür tun,
damit es nicht noch einmal passierte.
    Es dauerte fast eine Viertelstunde, bis der Bus der Linie 7
kam. Ich setzte mich auf einen Einzelplatz in der Nähe der
Vordertür und fuhr bis zum Vazon Bay Café. Mein Fahrrad
lehnte noch an der Festungsmauer. Jemand hatte die Klingel
abgeschraubt und die Luftpumpe fehlte ebenfalls, aber sonst
schien alles in Ordnung zu sein.
    Meine Finger zitterten, als ich den winzigen Schlüssel ins
Schloss fädelte. Hoffentlich ist Cyril nicht hier, war das Einzige,
was ich denken konnte. Ich wollte ihm nicht begegnen,
nicht jetzt, am besten gar nicht mehr, sondern ihn vergessen,
und bei Gott, das würde ich. Wenn ich nur Gordy nicht verlor!
    Ich schob das Rad bis zur Straße und sauste los. Links von
mir rasten Häuser und bunt blühende Büsche vorbei, zu meiner
Rechten glitzerte das Meer. Von Westen her lockerte sich
der Himmel allmählich auf, hier und da brachen Sonnenstrahlen
hervor und tauchten einzelne Anwesen in ein helles, warmes
Licht. Ich konnte nur hoffen, dass Gordy es nach Grace’s
High geschafft hatte, ohne dass seine Besonderheiten jemandem
aufgefallen waren.
    Ich brauchte keine zehn Minuten bis zum Grundstück, wo
ich das Fahrrad auffällig am Schuppen abstellte, damit Tante
Grace es ja nicht übersehen konnte. Atemlos huschte ich auf
das Haus zu, schlüpfte durch die weit offen stehende Tür und
warf einen Blick in die Küche. Auf der Spüle lag ein großer
Fisch, der darauf wartete, ausgenommen zu werden, von meiner
Großtante fehlte allerdings jede Spur.
    »Tante Grace!«, rief ich gerade mal so laut, dass sie mich
hören musste, wenn sie im Haus war, nicht aber, wenn sie sich
im Garten aufhielt.
    Als ich keine Antwort bekam, rannte ich in langen Sätzen
die Treppe hoch und riss die Tür zu meinem Zimmer auf.
    Gordy stand am Fenster. Er war klatschnass und trug nichts
als seine Delfinhaut um die Hüften. Seine Jeans, das Sweatshirt
und die zugeknoteten Einkaufstüten lagen neben ihm
auf dem Boden in einer Pfütze, die sich um seine Füße gebildet
hatte.
    »Du bist geschwommen!«, entfuhr es mir. Es war so ziemlich
das Idiotischste, was ich in dieser Situation überhaupt sagen
konnte.
    Gordy presste die Lippen aufeinander. Sein Gesicht war
bleich und ohne jeden Schimmer und seine Augen lagen tiefgrün
in dunklen Höhlen. Ich konnte mich nicht erinnern,
dass er jemals so elend ausgesehen hatte.
    »Was ist passiert?«
Noch
so eine dumme Bemerkung, schließlich
wusste ich sehr gut, was passiert war!
    »Elodie«, sagte er nur. Und dann: »Ich ertrage das nicht.«
    Mein Puls schnellte in die Höhe. »Was?«
    »Dich zu verlieren und zurückzugewinnen und wieder zu
verlieren …« Er brach ab und senkte den Blick.
    »Aber du«, stammelte ich, »… aber ich … du hast mich nicht
verloren«, sagte ich mit zitternder Stimme. »Zu keiner Zeit.«
Langsam gewann ich meine

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