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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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quadratischen Fenster, das den Blick
nach innen durch eine zarte pinkfarbene Spitzengardine abschirmte.
    Wir betraten einen schmalen Flur, der in ein großes helles
Zimmer mündete, welches offensichtlich Wohnraum und
Küche zugleich war. Ein warmer honigartiger Geruch schlug
mir entgegen, der irgendwie nicht so recht zu dieser Insel passen
wollte, aber ich fühlte mich sofort wohl.
    Durch ein riesiges Fenster und eine weit offen stehende
doppelflügelige Glastür fiel Sonnenlicht herein. Dahinter lag
ein total verwilderter Garten mit einem recht großen Teich, an dem eine Bank aufgestellt war sowie ein schnörkeliger runder
Eisentisch, der bereits reichlich Patina angesetzt hatte.
    »Geh ruhig schon mal raus, ich bin sofort bei dir!«, rief Jane
mir zu und verschwand geschäftig hinter einer Art Tresen im
Küchenteil.
    Ich lief durch weiches, beinahe wadenhohes und von gelben
Blüten durchsetztes Gras.
    Mit jedem Schritt, den ich auf den Teich zumachte, juckten
meine Knöchel heftiger, und ich war bereits drauf und dran
umzudrehen, aber da hatte ich ihn bereits unmittelbar unter
der Wasseroberfläche schwimmen sehen – den kleinen, nicht
viel mehr als einen halben Meter messenden Hai!

Keine Ahnung, wie ich es hinbekommen hatte, mir nichts anmerken
zu lassen, vielleicht hatte ich einfach genug Zeit, mich
zu fangen, bis Jane mit einem kleinen runden Silbertablett
hinter mich trat.
    »Kaum zu glauben, dass er mal in ein Aquarium gepasst hat,
nicht wahr?«, bemerkte sie über meine Schulter hinweg.
    »In ein Aquarium?«, erwiderte ich und bemühte mich um
einen möglichst unaufgeregten Tonfall. »Er ist also ein Süßwasserhai?
«
    »Nicht direkt.« Jane stellte das Tablett, auf dem sich zwei Gläser
Latte macchiato und ein Teller mit Kokoskeksen befanden,
vorsichtig auf den Tisch. »Er verträgt nämlich auch Salzwasser.«
    Ich riss meinen Blick vom Teich los und ließ mich auf die
Bank sinken. »Und wo hast du ihn her?«
    »Geerbt«, antwortete Jane. »Sozusagen.«
    »Von deinen Eltern?«
    Sie schüttelte den Kopf, nahm ein Kaffeeglas vom Tablett
und setzte sich neben mich. »Meine Eltern sind zwar tot, vererbt
haben sie mir allerdings nichts.«
    »Oh«, sagte ich. »Nicht einmal dieses Haus und das Grundstück?
«
    Jane nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. »Es gehörte
einem sehr guten Freund.«
    »Der ebenfalls gestorben ist?«
    Ein Schatten zog über Janes Gesicht. »Er hatte einen Unfall
… Aber das ist nun schon ein paar Jahre her.«
    »Mein Vater ist auch bei einem Unfall ums Leben gekommen.
Vor zweieinhalb Monaten.« Eigentlich wollte ich ihr das
gar nicht erzählen – nicht, nachdem ich den Hainixjungen in
ihrem Teich entdeckt hatte. In meinem Kopf wirbelte alles
durcheinander, ich konnte mich kaum auf etwas konzentrieren,
kein Wunder also, dass ich nicht Herr meiner Worte war.
    »Ich weiß.« Jane nickte. »Grace hat es mir gesagt.«
    Ich sah sie kurz an, dann nahm ich mir einen Keks vom Teller
und biss hinein. Der Blick aus den leicht schräg gestellten
aquamarinblauen Augen des Haijungen ließ mich nicht los.
Ich hätte nicht sagen können, ob er gemerkt hatte, dass ich ihn
erkannt hatte, und allmählich fragte ich mich immer mehr,
ob nicht auch meine Großtante etwas über die Nixe wusste.
Mittlerweile konnte ich mir kaum noch vorstellen, dass sie
vollkommen ahnungslos sein sollte.
    Aber warum hatte sie dann nie etwas gesagt? Sie müsste
doch wissen, wer Cyril war – und Gordy … und dass die beiden
bis aufs Blut verfeindet waren.
    Panik platzte in meinen Kopf. Hastig legte ich den angebissenen
Keks auf den Teller zurück und sprang auf. »I-ich muss
los«, stotterte ich. »Tut mir leid, aber ich habe total vergessen,
dass ich noch mit jemandem verabredet bin.«
    »Okay.« Jane sah mich irritiert und auch ein wenig enttäuscht
an. »Na ja, macht ja nichts«, meinte sie mit Blick
auf mein nicht angerührtes Glas. »Ich liebe Latte macchiato
und … ähm … morgen ist ja auch noch ein Tag. Du kommst
doch, oder?«
    Ich nickte, denn ich wusste nicht, was ich sonst tun oder
sagen sollte. Zuerst musste ich mit Gordy sprechen beziehungsweise
überhaupt sicher sein, dass ihm während meiner Abwesenheit
nichts zugestoßen war!

    Ich machte mir nicht die Mühe, das Fahrrad irgendwo abzustellen,
sondern ließ es einfach in der Kieseinfahrt zu Boden
rasseln, rannte den Plattenweg entlang auf das Haus zu, stieß
die Tür auf und stürmte zwei Stufen auf einmal nehmend
nach oben.
    Gordy war nicht da! – Weder

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