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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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können, ich wäre nicht in der Lage gewesen, ihm zur Seite zu
stehen.
    Keuchend erreichte ich das Vazon Bay Café. Völlig außer
Atem und mit buchstäblich letzter Kraft hievte ich das Rad in
den Ständer neben der Eingangstür.
    Natürlich war Gordy nicht hier. Der Tag war viel zu schön,
der Himmel viel zu blau und die Sonne viel zu strahlend, als
dass er es gewagt hätte, sich in die Öffentlichkeit zu begeben.
Wie töricht ich doch war!
    Zitternd stakste ich zu meinem Fahrrad zurück und machte
mich auf den Rückweg. Ich war total am Ende vor Angst um
Gordy, und es war ein reines Wunder, dass ich keinen Unfall
baute, allerdings rasselte ich auf der Kieseinfahrt zu Tante
Gracies Grundstück zum zweiten Mal seit meiner Ankunft auf
Guernsey beinahe mit Ruby zusammen.
    »Verdammt noch mal, was machst du hier?«, blaffte ich.
    Kopfschüttelnd sah sie mich an. »Was ist denn mit dir los?«
    »Gordy«, sagte ich, dann fing ich an zu heulen.
    »Oh nein.« Hastig klappte Ruby den Ständer raus, fasste
mich bei den Schultern und bohrte ihren Blick in meinen.
»Was ist passiert?«
    »Er ist verschwunden.«
    »Seit wann?«
    »Ein oder zwei Stunden.«
    Ruby starrte mich ungläubig an. Plötzlich lachte sie los. »Das
ist jetzt nicht dein Ernst!«
    »Was meinst du?«
    »Du bist ja …« Sie ließ die Hände von meinen Schultern
gleiten und fasste sich an die Stirn.
    »Was?«
    »Na ja,
zwei
Stunden …«, entgegnete sie. »Ich trau mich fast
nicht, das zu sagen, aber überleg doch mal … Da müsste ich
mir wegen Ashton ja auch ständig Sorgen machen.«
    »Tust du das etwa nicht?«, erwiderte ich aufgebracht und
wieder einmal flog in meinem Kopf alles durcheinander. Die
Angst um Gordy, das, was Tante Grace mir über Rubys jüngeren
Bruder erzählt hatte, und der kleine Haijunge in Janes
Teich waren nur Teile davon. Ich wollte Ruby nur zu gern alles
erklären, aber ich wusste einfach nicht, wo ich anfangen sollte.
    »Nein, tu ich nicht«, sagte sie jetzt ziemlich wütend. »Ashton
ist alt genug, um auf sich selbst aufpassen zu können. Was hast
du bloß immer mit ihm?«, fauchte sie mich an. »Nur weil er an
Tourette leidet, muss man ihn doch nicht wie ein kleines Kind
behandeln.«
    »Das sag ich ja gar nicht. Und darum geht es auch nicht.«
    »Worum dann?«
    »Können wir vielleicht erst mal hochgehen?«, presste ich
hervor. »Es muss ja nicht jeder gleich mitkriegen, worüber wir
streiten.«
    »Elodie!« Ruby verzog das Gesicht. »Wir streiten doch nicht.«
    »Was denn?«
    Ruby biss sich auf die Unterlippe.
    »Du bist ziemlich durch den Wind«, sagte sie schließlich.
»Und ich … ich bin es übrigens auch.«

    Warum sie das war, erzählte sie mir fünf Minuten später, als
wir uns in meinem Zimmer gegenübersaßen. Und was sie mir
da eröffnete, war in der Tat alles andere als beruhigend.
    »Bist du auch ganz sicher, dass Joelles Cousin keinen Mist
erzählt hat?«, vergewisserte ich mich.
    Ruby schürzte die Lippen. »Morgen oder übermorgen wird
es durch die Medien gehen«, erwiderte sie. »Spätestens dann
wissen wir es genau. Außerdem … Warum sollte Louie lügen?
Das passt doch überhaupt nicht zusammen.«
    Ich nickte stumm vor mich hin und versuchte, die Bedeutung
dieser Neuigkeit zu erfassen. Doch so sehr ich auch grübelte,
es erschloss sich mir einfach nicht, was die Londoner
Pathologen damit bezweckten, wenn sie diese offensichtliche
Unwahrheit in die Welt setzten.
    »Hat Louie den Delfin denn auch wirklich gesehen?«, hakte
ich noch mal nach.
    »Joelle sagt Ja.«
    »Aber das kann nicht sein, ich weiß doch, was
ich
gesehen
habe!« Nämlich einen menschlichen Körper, den die Fischer
und die Hafenpolizei aus dem Wasser gezogen haben. »Außerdem
hat Gordy mir schließlich gesagt, dass es Elliot war, den
sie getötet haben.«
    »Na ja«, meinte Ruby. »Es muss ja nicht zwangsläufig Elliots
Körper gewesen sein, den die Pathologen Louie gezeigt haben.«
    Ich atmete geräuschvoll aus. »Du denkst …?«
    »Ich checke nur die Möglichkeiten«, unterbrach sie mich.
»Und eine davon ist zweifellos die, dass sie Joelles Cousin auch
irgendeinen
toten Delfin gezeigt haben könnten.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Und was bezwecken sie damit?«
    »Na, das ist doch wohl klar«, entgegnete Ruby. »Die Polizei
will vertuschen, dass sie einen Menschen totgeschlagen
haben. Außerdem gewinnen die Behörden so ein wenig Zeit.
Die Leute hier brennen doch darauf, dass der Fall

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