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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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deine Jane und ihr Atelier mal ansehen. Vielleicht
ist dieser Job ja gar nicht so übel. Und mit Mam telefoniere
ich eigentlich auch ganz gern. Sooo verkehrt ist deine
übertriebene Fürsorge also gar nicht.«
    »Na, dann bin ich ja beruhigt.« Tante Grace kniff mich zärtlich
in die Wange und verpasste mir anschließend einen Klaps
auf den Hintern. »Und nun mach, dass du fortkommst! Sonst
verspätest du dich womöglich doch noch.«

    Ich verspätete mich nicht, sondern kam pünktlich auf die
Minute bei der Schmuckwerkstatt an.
Jane’s Jewellery
stand
in fein geschwungenen Lettern auf einem Blechschild an der
lavendelfarben getünchten Mauer, die das Grundstück der
Schmuckschmiede umgab.
    Ich sprang vom Rad und schob es durch das schmiedeeiserne
Tor in einen mit Kopfsteinen gepflasterten Innenhof. Überall
lugten Grashalme und winzige weiße Blumen aus den Ritzen
hervor, und rechts und links des Hauses, dessen grob verputzte
Wände in einem etwas dunkleren Lilaton als die Außenmauer
gestrichen waren, wuchsen riesige Kamelienstauden. Das Haus
schien um einiges größer zu sein als die Cottages von Tante
Grace und es hatte zwei Eingänge. Der eine befand sich unmittelbar
gegenüber dem Tor, und den zweiten erreichte man,
wenn man einem aufgemalten weißen Pfeil und dem Hinweis
Schmuckwerkstatt – Ausstellungsraum
folgte.
    Ich hob meinen Drahtesel in einen rostigen Ständer, der
Platz für drei weitere Fahrräder bot, und trat durch einen sonnendurchfluteten
Glasvorbau in die Werkstatt.
    »Hallo! Du musst Elodie sein!«, rief eine etwas rauchige,
aber überraschend junge Stimme aus dem Dunkel des angrenzenden
Raumes. »Komm nur herein … oder nein, warte … ich
komme zu dir.«
    Es ertönte ein Geräusch, als ob etwas Hölzernes – vielleicht
ein Hocker – über einen Steinboden geschoben wurde, und
kurz darauf tauchte eine zierliche Frau in der Tür auf. Alles an
ihr lachte mich an, die aufrechte Körperhaltung, die verschiedenen
bunten T-Shirts, Tuniken und Westen, die sie übereinander
trug, das helle herzförmige Gesicht, eingerahmt von wilden
roten Locken, die nussbraunen Augen und die schmalen,
aber fein geschwungenen Lippen.
    »Ich bin Jane«, stellte sie sich vor. »Jane la Belleigne. Aber
nenn mich einfach Jane.«
    Ich ergriff die schmale Hand, die sie mir entgegenstreckte,
und war überrascht von dem kräftigen Druck ihrer schmalen
Finger und dem Schwung, mit dem sie meinen ganzen Arm
schüttelte.
    »Deine Großtante Grace und ich kennen uns schon seit mindestens
elf Jahrtausenden.« Sie lachte ein witziges keckerndes
Lachen. »So zumindest kommt es mir vor. Und umso glücklicher
bin ich, dass du mir ein wenig behilflich sein willst.«
    »Okay.« Unschlüssig blickte ich mich in dem vollkommen
leeren Glasraum um. »Was soll ich denn überhaupt machen?
Ich bin nämlich nicht sonderlich geschickt mit den Händen,
wenn du verstehst, was ich meine.«
    »Also, du musst hier ganz sicher nichts tun, was dir nicht
zusagt«, erwiderte Jane und ein leicht verlegenes Lächeln umspielte
ihre Mundwinkel. »Ich weiß ja nicht, ob Grace es dir
gesagt hat, aber der Lohn für deine Arbeit wird nicht besonders
üppig sein.«
    »Oh … ach so.« Ich nickte. »Dann ist es wohl eher als eine
Art Beschäftigungstherapie gedacht.«
    Jane zuckte mit den Schultern. »Deine Großtante befürchtet, dir könnte sonst womöglich die Decke auf den Kopf fallen
«, meinte sie und seufzte leise. »Sie hat es dir also nicht
gesagt!«
    »Was?«
    »Dass ich dir nicht mehr als lächerliche drei Pfund die
Stunde geben kann.«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Aber das macht überhaupt
nichts. Ich bin ja nicht hier auf Guernsey, um Geld zu verdienen,
sondern weil Tante Grace …«
    »Ja, das dachte ich mir«, unterbrach sie mich grinsend und
seufzte dann gleich noch einmal. »Das bedeutet im Klartext,
dass du am liebsten sofort wieder die Biege machen würdest,
stimmt’s?«
    »Nein«, sagte ich und das war eine absolut ehrliche Antwort.
    Natürlich war die Aussicht, auf der Stelle wieder heimfahren
und die Zeit mit Gordy verbringen zu können, außerordentlich
verlockend. Doch irgendwie genoss ich es auch, hier
zu sein. Es tat gut, die Nordsee ein paar Kilometer entfernt zu
wissen und mit jemandem Kontakt zu haben, der nichts mit
Nixen zu tun hatte und mit dem ich über all das auch nicht
sprechen musste. Zumindest hoffte ich, dass Jane die Morde
auf Sark und das Abschlachten der sogenannten
Mörderbestie
nicht zum Thema machen

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