Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
Vom Netzwerk:
erneutes Rülpsen.
    «Oh», sagte Adrian.
    «Ja, aber auch die Austen, am liebsten
Verstand und Gefühl,
kennst du das?»
    «Nein», gestand Adrian, der sich nie groß mit den englischen Klassikern beschäftigt hatte. «Ich bin wohl nie über Dickens hinausgekommen. Und
Puh der Bär
natürlich.»
    Quentin verzog das Gesicht. «Dickens ist mir zu gefühlig, zu kitschig, wenn du verstehst, was ich meine? Na ja, mit Ausnahme vielleicht der Reisebeschreibungen. Davon versteht er was.» Er nahm einen Schluck. «Versteh mich nicht falsch, Charlotte Brontë is auch kitschig, man denke nur an
Jane Eyre,
keine Frage. Aber da steckt doch ein ganz anderes Feuer dahinter. Du fragst dich beim Lesen immer, Mann, was hätte aus denen noch alles werden können, wenn sie bloß mal ordentlich durchgefickt worden wären. Verstehst du, was ich meine?»
    «Von der Seite hab ich’s noch gar nicht betrachtet.» Adrian gab sich einen Ruck. «Ich glaub, ich brauch jetzt echt ein Bier.»
    «War schön, mal mit ’nem gebildeten Menschen zu reden», rief Quentin ihm hinterher.
    Adrian war sich nicht sicher, ob er sich über ihn lustig machte oder nicht. Jedenfalls hatte er das Gefühl, bei einer Aufgabe versagt zu haben.
    «Na, wie findest du’s?», flüsterte Maud ihm ins Ohr, während sie ihm eine Flasche reichte.
    «Frag mich in einer halben Stunde», gab Adrian zurück. «Wenn ich auf dem Heimweg bin.»
    «Ach, nicht doch.» Sie lächelte ihn an, ein Lächeln, das über ihn hinweg- und weiterglitt und Menschen hinter ihm grüßte, ohne sich zu verändern. «Du wirst sehen, es ist total interessant hier.»
    «Interessanter kann’s kaum noch werden», meinte Adrian. «Ich hab eben einen Fernfahrer kennengelernt, der eine platonische Fickbeziehung zu Charlotte Brontë hat.»
    Sie hob eine Augenbraue und schaute ihn an; fast so tadelnd wie seine Tante, fand Adrian. Er grinste.
    «Wart’s ab», erwiderte sie und ließ ihren Blick weiterschweifen. «Ich wollte dich jemandem vorstellen.»
    «Ich würde viel lieber tanzen», begann Adrian und griff nach ihrer Hand. Gerade spielten sie ein Stück von Coldplay.
    Sie entzog ihm ihre Hand, hob sie hoch und winkte. Ein Mann im Jackett, ein wenig fehl am Platz wirkend zwischen den salopp gekleideten Fischern, winkte zurück und kam auf sie zu. «Ich habe ihn in Torquay kennengelernt», sagte Maud, «ganz zufällig, als ich nach Antiquitäten Ausschau hielt.»
    «Also, wenn du Roses Gemälde wirklich verkaufen willst …», begann Adrian.
    Maud nahm seinen Arm und schmiegte sich an ihn. «Mr. Goodchild, darf ich Ihnen Adrian Ames vorstellen?»
    Der Mann schaute ihn durch eine kleine Brille hindurch an. «Ich erinnere mich», sagte er. «Sehr erfreut, Mr. Ames.»
    Erinnern? Adrian machte ein hilfloses Gesicht. «Ich wüsste nicht …» Sein Gehirn klapperte vergebens die Reihe ihm bekannter Gesichter ab. Derart vertrocknete Physiognomien ordnete er üblicherweise der Uni zu. Aber dort konnte er den Mann nirgends unterbringen.
    «Oh, als wir uns das letzte Mal sahen, waren Sie sieben, glaube ich. Aber in gewisser Weise haben Sie sich kaum verändert. Im Gegensatz zu mir, wie ich vermute. Das Alter nagt an mir wie das Meer an den Kreidefelsen von Dover.»
    «Mr. Goodchild», säuselte Maud. «Das muss ich als
fishing for compliments
werten.» Sie hob drohend den Zeigefinger.
    Er lächelte und küsste ihre Hand. «Wäre diese reizende junge Dame nicht gewesen», fuhr er an Adrian gewandt fort, «würde ich heute noch darauf warten, dass Sie mich besuchen kommen.» Sein Blick wurde streng. «Sie sind doch inzwischen über achtzehn?»
    Verärgert errötete Adrian. «Ich bin einundzwanzig.» Er warf Maud einen raschen Seitenblick zu.
    «Natürlich, natürlich. Nun, Mr. Ames, ich würde mich freuen, wenn Sie mich einmal in meiner Kanzlei aufsuchen würden.» Der Mann zog eine Visitenkarte aus der Brusttasche seines Jacketts und reichte sie Adrian.
    «Goodchild & Son», las er und schaute auf. «Sie sind Rechtsanwalt?»
    «Genauer gesagt bin ich ‹Son›», meinte Goodchild und kicherte. «Mein Vater hat seinerzeit die Nachlässe Ihres Großvaters und Ihrer Eltern geordnet. Ich ging ihm als Junganwalt zur Hand. Inzwischen hat er sich aus dem Geschäft zurückgezogen.»
    «Und worum geht es genau?», fragte Adrian verwundert.
    «Nun, um Ihr Erbe, Mr. Ames.» Goodchild sah ihn an. Seine Augen hinter den verschmierten Brillengläsern waren klein, er hatte kaum mehr Haare auf dem Kopf, abgesehen von einem

Weitere Kostenlose Bücher