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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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irgendwo anders abgelegt hatte. Der Brief war nicht mehr da. Vom Erdboden verschwunden. Als hätte es ihn nie gegeben.
    «Ach so», sagte Adrian und ging zur Tür. «Dann ist ja gut.» Und er ging.

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15. Kapitel
    Zuerst holte er Maud ab, dann schlenderte er mit ihr zum Pier hinüber, wo bereits die Lampions leuchteten und Musik zu hören war. Sie wollte sich zu Adrians Enttäuschung nicht wieder küssen lassen und wand sich auch aus seiner Umarmung, als sie die ersten Grüppchen plaudernder Broxtoner erreichten. ‹Nicht vor den Leuten›, sagte ihr vielsagend nach links und rechts wandernder Blick.
    Gerade vor den Leuten, hätte Adrian sich gewünscht. Sollten es doch alle sehen, dass sie jetzt wirklich ein Paar waren. Am liebsten hätte er sie den ganzen Abend nicht aus seinem Arm gelassen, eng mit ihr getanzt zu der Musik, die aus den Lautsprechern schepperte, und sie mit Cocktailkirschen gefüttert. Wenn Maud allerdings lieber diskret war, dann musste er das respektieren. Sie ist diejenige, die das ganze Jahr hier leben muss, sagte er sich. Im selben Moment zuckte er zusammen: Da stand eine Frau mit langen schwarzen Haaren; sie wandte ihm den Rücken zu und plauderte mit Pete. Adrian hielt den Atem an. Als sie sich aber umdrehte, erkannte er in ihr die Postbotin, Mary Masterson. Von vorne betrachtet, hatte sie mit der sinnlichen Erscheinung von neulich Nacht nicht die geringste Ähnlichkeit. Ihre Augen waren wasserblau und trübe, und ihre Nase zeigte die Spuren von zu viel Freude am Alkohol. Im Dienst trug sie ihr Haar immer hochgesteckt. Adrian grüßte sie und wurde rot.
    «Hey, Ames, hast du mal von deinem Felsen heruntergefunden.» Tom hob seine Bierflasche und grüßte herüber.
    Adrian winkte lässig zurück. Er sah Toms Frau, die dem Wirt des Pubs an der Fritteuse zur Hand ging. Fish and Chips, fettig und heiß, gab es heute zum letzten Mal in diesem Jahr hier draußen am Pier, das war Tradition.
    «Na, Ames, kennst du mich noch?» Adrian drehte sich um und starrte den jungen Mann an, der ihn angesprochen hatte. Das heißt, er nahm an, dass der andere jung war. Sein aufgequollenes Gesicht und der Berg von Fett, in dem seine Gestalt versunken war, ließ keine rechte Schätzung zu. Adrian orientierte sich an den Koteletten und der klobigen Nase, die er von Patrick Morgan kannte.
    «Quentin?», fragte er entgeistert. «Quentin Morgan?» Er bemühte sich um ein Lächeln und hob die Hand für den alten Gruß, mit dem die Jungs des Ortes sich seinerzeit begrüßt hatten, sogar er.
    Quentin schlug ein mit einer Hand, die erstaunlich klein und weich war. Auch er war mit einer Bierflasche ausgerüstet, aus der er erst einmal einen kräftigen Schluck nahm. Als er den Arm hob, rutschte sein T-Shirt hoch, und Adrian konnte das Tattoo auf seinem Bauch sehen. Unter Quentins Nabel stand: «empty».
    «Witzig», sagte Adrian und bemühte sich um ein Lachen, das ein wenig hilflos klang.
    Quentin nickte. «Hab ich mir in Estland machen lassen. Da ist das saubillig.»
    «Estland?», fragte Adrian.
    «Fernfahrer, Ames. Laster.» Quentin nickte. «Bin mal hier, mal da.»
    «Fernfahrer», staunte Adrian und dachte an Patricks Verdikt gegen Menschen, die zu weit weggingen. Nun, vermutlich hatte Patrick das eher ideell als geographisch gemeint. In seinem Weltbild waren Architekten vermutlich prinzipiell weiter weg als alles andere.
    «Jau.» Quentin rülpste.
    «Und, wie ist das so?», bemühte Adrian sich, das Gespräch in Gang zu halten.
    «Man sitzt ’ne Menge rum.» Quentin rülpste wieder. «Grenzen, Staus, Ruhezeiten. Muss Zeit totschlagen.»
    «Stell ich mir öde vor», gestand Adrian, der Autobahnraststätten für die langweiligsten Orte der Welt hielt. Man rettete sich von der Straße dorthin, nur um vor dem immer gleichen Sortiment überteuerter Getränke und Snacks umgehend wieder zurück auf die Straße zu fliehen.
    «Ich lese ’ne Menge. Willst du nicht auch ’n Bier? Gibt’s da hinten, wo Neds Mutter die Kresse-Sandwiches verkauft.»
    «Gleich, ja, danke.»
    Adrian folgte Quentins Finger und wurde abgelenkt, als er Ned und Maud vor dem Sandwichstand in lebhaftem Gespräch entdeckte. Jetzt hatte sie ihn gesehen und winkte. Erleichtert lächelte Adrian.
    «Am liebsten lese ich ja die Brontës», gestand Quentin.
    «Wie?», fragte Adrian, noch immer mit dem dümmlichen Lächeln im Gesicht und erhobener Hand, um Maud zurückzugrüßen.
    «Vor allem Emily,
Sturmhöhe,
das ist klasse.» Ein

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