Meerestochter
ernst.
«Nun …», begann er.
«Adrian kriegt das schon hin», fiel Maud ihm ins Wort und nahm seinen Arm fester. «Nicht wahr, Adrian?» Sie zwinkerte ihm zu.
«Na ja.» Er begriff nicht ganz, warum sie dieses Spielchen spielte. Wollte sie die anderen zappeln lassen? Seine Bedeutung unterstreichen? Am Ende die eigene? Log sie aus Prinzip? Er begriff es nicht, aber es war ihm auch egal. Langsam schüttelte er den Kopf. «Das kann ich klären», sagte er, «kein Problem.»
Maud lächelte zufrieden. Mit einem Nicken in die Runde erklärte sie: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich länger zwischen Adrian und seine Zukunft stellen will.»
«Mensch, Ames, Millionär.» Pete hatte sich doch noch in die Runde gewagt. Sein Vater saß blass und hustend da, zu schwach, um ihn lange böse anzustarren. Das übernahmen die anderen.
Aber Adrian lächelte. Das dritte Bierglas war leer. Millionär! Der Gedanke ließ ein Kichern in ihm aufsteigen. Dann sollte die Runde hier wohl auf ihn gehen. Er konnte sie alle einladen, ach was, er konnte den ganzen Pub kaufen. Doch als er Anstalten machte, eine Lokalrunde auszurufen, klopfte Hilary, die Frau des Wirtes, ihm auf die Schulter. «Lass mal, Ames, das geht auf uns. Man hat nicht alle Tage eine künftige Berühmtheit zu Gast.»
«Wie wär’s, wir nennen ihn den Adrian Ames Waterpark?»
«Oder Ames Place – biggest Waterworld in England?»
«Ich bin sicher …», versuchte Maud die Debatte in realistischere Bahnen zu lenken.
«Wir werden am Ende noch alle Millionäre, passt bloß auf.»
«Klar, Ned, du wirst bald anbauen müssen. Und du auch, Maud, gleich noch ein Stockwerk drauf.» Die Stimmung heizte sich langsam auf.
Bis es Adrian einfiel zu fragen: «Sag mal, die Tote, die hatte doch bei dir gewohnt, Ned, oder?»
Der Pensionsbesitzer nahm einen Schluck. «Klar», sagte er und wischte sich den Mund. «Allerdings ist sie am letzten Tag bei Maud vorbeigegangen, um sich das mal anzusehen. Für nächstes Jahr, meinte sie. Hat ihr wohl nicht so gefallen bei mir.» Er grinste anzüglich. «C’est la vie.» Er sprach es mit grauenvollem englischem Akzent aus.
Maud schlug ihm auf den Unterarm. «War ihr vielleicht zu spießig bei dir», meinte sie. «Nur kein Neid.»
Sie war also bei Maud gewesen. Adrian fühlte sich wie elektrisiert. Das Haar! Mauds Behauptungen! Alles stimmte. Sie hatte dieses verdammte Haar vermutlich ihrer Besucherin vom Revers gepflückt. Oder es auf dem Klo gefunden. Oder im Kehrmüll entdeckt. Wie auch immer, sie hatte ihn nicht belogen. Mit trüben Augen suchte er ihren Blick, der klar und offen ihm zugewandt war.
Du weißt, dass ich nicht bluffe, sagte dieser Blick. Du weißt, was du mir zutrauen darfst. Es war der Blick von jemandem, der wusste, was er wollte.
«So ist das also», brachte er mit schwerer Zunge heraus.
Lachend legte Maud den Arm um ihn. «Keine Sorge, ich werde dich nicht sofort mit Umbauplänen behelligen. Eines nach dem anderen, Adrian. Ich weiß, du hast wichtigere Aufgaben.» Ihr Griff war fest. Er hatte Lust, sich loszumachen. Aber es fehlte ihm an Kraft jeglicher Art.
Hilary stellte das vierte Bier vor ihn hin.
«Auf unseren Ames!», rief Morgan und hob sein Glas. Die anderen stimmten ein.
Ondra kauerte auf dem Bett, eine Decke um die Schultern, die noch immer leicht nach Staub und nach Tieren roch, trotz Roses Bemühungen, und starrte aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit. Sie war vollkommen angezogen, trug ein Kleid mit Blumenmuster, das einst Lily gehört hatte, Adrians Mutter. Von dem geblümten Kleid hatte sie sich erhofft, es würde ihr das Gefühl geben, von Natur umhüllt zu sein, so wie einst vom Meer. Aber die Blumen waren tot; der Stoff strich nur knisternd über ihre Haut, es war nicht dasselbe.
Rose hatte Essen dagelassen und ihren unvermeidlichen Tee. «Du musst etwas zu dir nehmen, Christy, das ist wichtig», hatte sie gesagt. «Morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.»
Ondra wusste nicht, wie das sein sollte. Sie hatte ein Leben aufgegeben, um an Adrians Seite zu sein. Er hatte sie verstoßen. Jetzt war sie mehr als ein Waisenkind. Sie war der einsamste Mensch auf diesem Planeten. Und dabei war sie nicht einmal einer. Beinahe musste sie lachen. Die Tränen liefen ihr über die Wangen, ohne dass sie sie weiter beachtet hätte. Das letzte Salzwasser verließ sie. So war das eben.
Das Essen wurde kalt, es wurde trocken. Ondra trank den Tee, aber auch das mehr aus Sehnsucht
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