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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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deine Zukunft auf einem Tablett aus Platin.»
    «Schau’n wir mal.» Schwungvoll passte sie sich seinem Schritt an.
    Adrian ging, obwohl er kein Gefühl für den Boden unter sich hatte. Er sah, dass die Sonne schien, aber er spürte ihre Wärme nicht. Er fühlte kaum seine eigenen Hände. Der Himmel war noch immer makellos blau, frei von Gedanken kontrollierenden Raumschiffen. Kein Alien weit und breit, und keine kriegerischen Arier. Der vertraute Pier lag vor ihnen und die unschuldige Reihe der kleinen Häuser. Er kannte die Namen aller Boote, die fest vertäut vor sich hin dümpelten. Das Meer war still und schwappte friedlich gegen die alten Steine. Es roch wie immer nach Salz und Tang, nach frischem Fisch und altem Eisen und ein wenig nach Urin, so vertraut, so übersichtlich. Und doch war es Adrian, als wäre er, seit er aus Quentins Wohnung geflüchtet war, nicht zurück in die Wirklichkeit gelangt, sondern nur von einem Albtraum in den nächsten gefallen.
    «Du hast eiskalte Hände», beschwerte sich Maud.
    «Ja», sagte Adrian. Mehr brachte er nicht heraus. Dann dachte er: ‹Christy.› Genau hier war er mit ihr auch schon entlanggegangen. Hier war sie stehen geblieben und hatte aufs Meer geblickt. Dort vorne hatte sie gelacht. Er konnte ihr Gesicht genau vor sich sehen. Wie sie sich um sich selbst gedreht und die Arme ausgestreckt hatte, als wollte sie abheben mit dem Wind. Da hinten dann, da hatte er sie stehenlassen.
    Noch immer war dieses Sausen in seinen Ohren. Er hätte ihren Namen schreien mögen, um ihn zu hören gegen diesen Sturm. Er wollte es, wollte es mehr als alles andere. Adrian öffnete den Mund. Und schloss ihn wieder. Das tat zu weh. Ihr Name sollte nicht in Berührung kommen mit dem, was er hier tat. Er durfte sie da nicht mit hineinziehen. Er biss die Zähne zusammen, um den sehnlichen Wunsch niederzukämpfen, zu einem Telefon zu laufen und ihre Stimme noch einmal zu hören. Wenn er nur ihre Nummer hätte. Aber was durfte, was konnte, was sollte er ihr sagen?
    «Einen Fünfer für deine Gedanken.» Mauds Stimme klang spröde.
    «Entschuldige», sagte er mechanisch und versuchte sich zu konzentrieren. «Gleich dort vorne ist der Einstieg. Du wirst sehen», fügte er hinzu mit einem Blick auf ihre Schuhe. «Der Weg ist gar nicht steil.»

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39. Kapitel
    «Grüß dich, Harriet.» Rose trat an die Gattin des Pensionsbesitzers heran, die schwer beschäftigt war. Wie ein Mann packte Harriet zu und hob die Steigen voller Eis und Fisch auf ihren Lieferwagen. Sie arbeitete fast im selben Tempo, in dem auch die Fischer ihre Fracht vom Boot auf den Kai wuchteten. Auf der Ladefläche dann kontrollierte sie die Ware, schob die hochwertigen Stücke in eine besondere Ecke, machte Häkchen auf einer Liste und rechnete im Kopf.
    Fasziniert sah Rose ihr zu. Sie liebte die glänzenden Körper der Fische, die leuchtenden Muster der Schuppen, hier Netze aus Silber, jedes Plättchen schwarz umrahmt, dort schwarzkörnige, samtig wirkende Haut, da überraschend bunte Flecken und Streifen. Manche hatten Tentakel und Auswüchse, die an Korallen oder Pflanzen erinnerten, andere groteske Mäuler, in deren Innerem es rot schimmerte. Manche waren ganz und gar scharlachrot, wieder andere so kühl blau wie das Meer, aus dem sie stammten. Manche wirkten hart und scharf wie Klingen, die nächsten zerflossen auf ihren Unterlagen. Die Aale, Conger, dicht an dicht gepackt in einer Wanne, lebten noch und schlängelten sich durcheinander in Serpentinen, die nirgendwohin führten.
    «Willst du ein paar?», fragte Harriet, ohne bei der Arbeit innezuhalten. «Die schmecken gut gegrillt. Du musst sie aufspießen und über die Glut hängen. Es soll noch genug schöne Tage geben.»
    Rose schüttelte den Kopf. Sie bereitete Fisch, wie die meisten englischen Hausfrauen, am liebsten als Auflauf zu, püriert in der Form und bedeckt mit einer dicken Schicht Kartoffelbrei. «Danke.» Sie lachte. «Malen würde ich sie.»
    «Vom Malen wird man nicht satt.» Harriet stemmte die nächste Steige. Sie schaute ihrer Gesprächspartnerin nicht in die Augen.
    «Aber vom Verkaufen von Bauland schon, meinst du das?» Rose beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen. «Wollt ihr jetzt alle verrückt werden wegen eurem Aquapark?»
    Harriet wurde rot und biss sich auf die Lippe. Sie überlegte, vor der Brust eine Ladung Heringe auf ihrem Eisbett. «Entschuldige», sagte sie schließlich. «Man weiß schon nicht mehr …»

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