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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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das war ein Thema, das offenbar beide nicht mehr ansprechen wollten.
    Und so plauderten wir eine Weile übers Essen, das Wetter und schließlich über Cyril.
    »Ein ganz reizender junger Mann«, schwärmte meine Mutter. »Wenn man bedenkt, was er erlebt hat …«, sie nahm ihre Serviette und tupfte sich damit den Mund ab, bevor sie nach ihrer Kaf feetasse griff, »… dafür wirkt er ungewöhnlich ausgeglichen. Ihn scheint ja kaum etwas aus der Ruhe bringen zu können.«
    Überrascht sah ich sie an. »Woher weißt du …?«
    »Das mit seiner Mutter?« Mam setzte eine Miene auf, wie sie es immer tat, wenn sie sich verplappert hatte und den Eindruck erwecken wollte, dass das, worum es ging, ohnehin nicht der Rede wert sei. »Javen hat es mir erzählt.«
    »Wie bitte?«
    Wann sollte das gewesen sein?
    Ich schaute offenbar ziemlich belämmert drein, denn Mam musste unwillkürlich lachen.
    »Entschuldige«, schob sie hastig hinterher. »Im Grunde ist es natürlich überhaupt nicht lustig.«
    Nein, das war es in der Tat nicht.
    »Dann wusstest du also längst, dass Javen Spinx einen Sohn hat«, vergewisserte ich mich und empfand es als tiefe Befriedi gung, seinen Nachnamen auszusprechen. Das schaffte genau die Distanz, die ich mir wünschte.
    »Ja.« Meine Mutter nickte und nun sah sie ziemlich ernst, fast schon bedrückt aus. »Es tut mir leid, dass ich dir bei unseren Ge sprächen am Telefon nicht gleich alles erzählt habe, aber damals erschien es mir nicht angebracht. Du hattest genug mit dir selbst zu tun, da wollte ich dich nicht auch noch mit Dingen belasten, die längst vergangen waren und keine Bedeutung mehr hatten.«
    »Hm«, machte ich und spürte, wie sich meine Nackenmuskeln versteiften. Mit einer Mischung aus hoffnungsvoller Erwartung und Unbehagen sah ich sie an. Was wusste sie wirklich – und woran konnte sie sich vielleicht doch noch erinnern?
    Auch Ruby und Tante Grace war eine gewisse Anspannung an zumerken, obwohl sie sich alle Mühe gaben, so unaufgeregt wie möglich zu wirken. Die Art und Weise jedoch, wie sie in ihren Kaffeetassen rührten, verriet sie. Meine Mutter schien allerdings so sehr auf die Wahl ihrer Worte konzentriert zu sein, dass sie es nicht mitbekam.
    »Inzwischen weiß ich es natürlich besser«, sagte sie jetzt und hol te einmal tief Luft, als müsste sie sich selber Mut machen. »Also: Die Wahrheit ist, nachdem Javen und ich uns hier auf Guernsey kennengelernt hatten, blieben wir noch eine ganze Weile brieflich miteinander in Kontakt.«
    »Also hat er dir erst im Nachhinein gebeichtet, dass Cyril exis tiert«, schlussfolgerte ich.
    Mam machte eine entgeisterte Geste, indem sie ihre Arme öff nete. »Was heißt denn schon gebeichtet! Javen und ich waren ja nur befreundet. Da gab es nie etwas zu beichten .«
    Wenn du wüsstest, dachte ich beklommen, wischte diesen Ge danken aber sofort wieder zur Seite und räusperte mich.
    »Und warum hat er dir dann nicht viel früher erzählt, dass er eine Familie hat?«
    »Das müsstest du ihn schon selber fragen.«
    Ganz sicher nicht!
    »Ich zumindest kann dir das nicht beantworten«, fuhr sie fort, »allenfalls darüber spekulieren. Solche Dinge waren einfach nie unser Thema. Das ergab sich erst, als ich mit dir schwanger war.«
    Logisch!
    »So etwas hat ihn interessiert?«, fragte ich fast schon ein wenig zu übertrieben erstaunt, aber auch das bemerkte meine Mutter offenbar nicht.
    »Tja, zugegeben: Ich fand es durchaus ein wenig ungewöhnlich«, meinte sie, senkte für einen Moment die Lider und lächelte still in sich hinein. »Andererseits hat es mir auch imponiert. Welcher Junge von siebzehn oder achtzehn Jahren erkundigt sich schon nach Schwangerschaftssymptomen und dergleichen mehr? Aber er selber ist ja auch sehr jung Vater geworden«, setzte sie hinzu und nun seufzte sie leise. »Es sei denn, er hat mich damals bezüg lich seines Alters angeschwindelt.«
    Hat er nicht, dachte ich bei mir. Nixe entwickelten sich schneller als Menschen und waren daher auch früher geschlechtsreif als sie. Ich verkniff mir allerdings, das zu vertiefen. Früher oder später würde meine Mutter sicher ganz von selbst darauf kommen. Stattdessen glitten meine Gedanken zu unserem bevorstehenden Treffen heute Abend auf Little Sark ab. Noch immer grauste es mir davor, Javen Spinx unter die Augen treten und mich ihm womöglich sogar entgegenstellen zu müssen. Denn anders als Cyril war ich noch längst nicht davon überzeugt, dass Javen sich seine

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