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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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Führungsrolle so ohne Weiteres nehmen ließ. Bestimmt würde es nicht einfach sein, ihn und die vielen mir bisher völlig unbekannten Hainixe auf meine Seite zu ziehen, aber ich war fest entschlossen, mich ganz in den Dienst der Sache zu stellen und das Treffen zu einem guten Ergebnis zu führen. Es hing einfach zu viel davon ab.
    »Javen jedoch war immer sehr besorgt um mich und wollte alles ganz genau wissen«, holten Mams Worte mich ins Hier und Jetzt zurück. »Und in dem Zusammenhang hat er mir auch von Cyril und dem Unfalltod seiner Mutter erzählt. Als du dann aber gebo ren warst, ebbte seine Anteilnahme ganz plötzlich ab und nach einiger Zeit schrieb er mir gar nicht mehr.«
    Wen wundert’s?, dachte ich.
    Tante Grace schien etwas ganz Ähnliches durch den Kopf zu gehen, denn ich fing einen entsprechenden Blick von ihr ein.
    »Ich habe das nie verstanden und verstehe es bis heute nicht«, setzte Mam unterdessen hinzu. »Und deshalb würde ich ihn sehr gern noch einmal treffen, um ihn danach zu fragen.«
    »Besser nicht«, rutschte es mir heraus.
    Zum Glück war es nicht besonders laut. Mitgekriegt hatte mei ne Mutter es allerdings trotzdem.
    »Was hast du gesagt?«, erkundigte sie sich offensichtlich irritiert.
    Mein Instinkt sagte mir, dass es nicht klug wäre, ein allzu gro ßes Lügengespinst zu weben, und so entschied ich mich für die halbwahre Variante. »Ich sagte, besser nicht.«
    »Aha …« Mam schüttelte den Kopf. »Und wieso?«
    »Weil Javen Spinx ziemlich abweisend sein kann«, erwiderte ich. »Präzise ausgedrückt, abweisend bis hin zur Kränkung. Wenn ich du wäre, würde ich mir das lieber ersparen.«
    »Danke für den Hinweis«, gab sie ein wenig brüskiert zurück. »Aber ich finde, dass das ganz allein meine Sache ist. Und wenn du es genau wissen willst: Ich habe mir fest vorgenommen, Guernsey erst wieder zu verlassen, wenn ich Gelegenheit hatte, mit Javen zu sprechen.«

    »Sie hat ein Recht darauf«, sagte Ruby, nachdem wir zehn Minu ten später die Apartmenttür hinter uns geschlossen und es uns auf meinem Bett bequem gemacht hatten. »Und zwar nicht weni ger als du.«
    »Das weiß ich«, gab ich ein wenig genervt zurück. »Ich bin mir nur nicht sicher, ob sie es verkraftet. Ich meine, im Grunde ist es doch nichts anderes gewesen als eine Vergewaltigung unter dem Einfluss von K.-o.-Tropfen.«
    Ruby sog geräuschvoll Luft in ihre Lungen. »Warum fragst du ihn nicht?«
    »Das werde ich«, brummte ich und knuffte mit ein paar gut plat zierten Fausthieben mein Kissen zurecht. »Worauf du Gift neh men kannst. Und du …«, sagte ich dann. »Du wirst gefälligst mit deiner Mutter reden, bevor meine Großtante es tut.«
    »Aye, aye, Sir.« Seufzend legte Ruby sich auf die Seite und zog sich einen Deckenzipfel bis unters Ohr.
    »Du darfst es nicht einfach hinnehmen, dass sie dir die Schuld am Unfall deines Bruders gibt.«
    »Aber ich bin’s doch«, erwiderte Ruby. »Meine Mutter hatte mir ganz klar verboten, allein nach Lihou Island hinüberzugehen. Dieses Verbot habe ich nicht nur missachtet, sondern darüber hinaus auch noch Miles mitgenommen. Dass Mum mir daraus bis heute einen Vorwurf macht, ist aber noch nicht mal das Allerschlimmste.« Rubys Lippen fingen an zu zittern und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich selber kann es mir nicht verzeihen. Dabei geht es Miles eigentlich gut. Zwar erinnert er sich weder an meine Eltern noch an mich, aber er ist immer fröhlich und freut sich über jeden Schmetterling und jede Schneeflocke. Er wird nur eben niemals etwas lernen oder gar für sich sorgen können.«
    »Und warum lebt er in diesem Heim?«, erkundigte ich mich. »Kann man ihm dort überhaupt noch in irgendeiner Weise hel fen?«
    »Nein.« Ruby wischte sich eine Träne von der Wange, und ich reichte ihr ein Papiertaschentuch vom Nachttisch, damit sie sich die Nase putzen konnte. »Es ist auch eher so etwas wie eine Pfle geklinik für behinderte Kinder. Die Leute, die dort arbeiten, sind erstklassig geschult und total liebevoll. Ich glaube, Miles könnte nirgendwo besser aufgehoben sein.«
    »Nicht mal bei euch?«
    Sie zuckte die Achseln. »Er hat ja keine Beziehung zu uns. Ich glaube, es würde ihm sogar Angst machen, wenn wir ihn aus sei ner gewohnten Umgebung wegholen. Außerdem müssten meine Eltern unser Haus entsprechend umbauen lassen. Ich weiß, das klingt blöd«, setzte sie seufzend hinzu. »Es ist ja auch nicht so, dass wir ihn nicht gerne bei uns hätten. Aber weißt

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