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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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genau hingeschaut«, flachs te Ruby.
    »Ich schaue immer genau hin«, erwiderte Cyril ernst. »Du nicht?«
    »Ähm«, machte Ruby, fasste den Anzug bei den Ärmeln und hielt ihn vor sich.
    Sie war knallrot angelaufen und ich hätte Cyril für seine Direkt heit glatt eine scheuern können. Andererseits hatte Ruby selber schuld. Sie kannte ihn lange und gut genug, um zu wissen, wie er auf solche Bemerkungen reagierte.
    »Ich hatte ihn damals eigentlich für dich gekauft«, erklärte er mir zaghaft. »Vielleicht erinnerst du dich noch, es hat mal eine Zeit gegeben, da wolltest du unbedingt schwimmen und surfen lernen.«
    »Na, das hat sich inzwischen ja erledigt«, meinte Ruby, die sich zum Glück recht schnell wieder gefangen hatte.
    Sie klemmte sich den Anzug unter den Arm und schlüpfte zum Umziehen in die Nische.
    »Hast du eigentlich keine Angst, dass jemand deine Ausrüstung findet und mitnimmt?«, fragte ich.
    Cyril schüttelte den Kopf. »Die Menschen hier sind nicht so.
    Sie haben alles, was sie brauchen, und wenn sie sich etwas wün schen, kaufen sie es sich, sofern sie das Geld dafür haben. So sim pel und so ehrlich.«
    »Ist das der Grund, weshalb du hier lebst?«
    Seine Augen bekamen einen samtigen Schimmer. »Nicht nur.«
    Natürlich nicht. Cyril mochte zufällig auf die Kanalinseln ge raten sein, geblieben war er jedoch einzig und allein wegen Ruby.
    Und Ashton.
    Das ist etwas anderes, erwiderte ich.
    Erst schwieg er, dann kam ein Jep .
    Im nächsten Moment sprang Ruby aus der Nische hervor. »Und?«, rief sie und baute sich mit weit ausgebreiteten Armen vor uns auf. »Wie sehe ich aus?«
    »Perfekt«, sagte ich. »Zumindest, soweit ich das beurteilen kann.«
    Cyrils Augen leuchteten. Ich hätte wetten mögen, dass er am liebsten sofort mit ihr um die halbe Welt gesurft wäre.
    »Okay«, sagte er und schlüpfte nun seinerseits zum Umkleiden in die Nische.
    »So, so – nur okay«, murmelte Ruby und warf Cyril einen blit zenden Blick hinterher.
    »Damit hat er ganz sicher nicht dich gemeint«, beschwichtigte ich sie.
    »Und wenn schon.« Sie winkte ab.
    »Er hat dich gern«, sagte ich. »Wirklich gern.«
    Ruby sah mich traurig an. »Ja, ja, schon gut.«
    Ich wusste es ja auch … Es war zu früh, viel zu früh.

    Ruby und ich boten ihm zwar unsere Hilfe an, aber Cyril bestand darauf, die Surfausrüstung allein die feucht glänzenden Klippen hinunter ans Ufer zu tragen.
    Inzwischen war es nahezu stockdunkel. Die Wolken schienen genau über unseren Köpfen zu hängen und außerdem hatte es angefangen zu regnen. Der Wind blies uns die Nässe ins Gesicht, dazu kam die Gischt, die zwischen den Felsen aufschoss, und so war ich innerhalb weniger Minuten bis auf die Haut durchgeweicht.
    Uns gegenseitig stützend, arbeiteten wir uns bis zum Wasser vor.
    Cyril hatte Brett und Segel in eine Steinspalte geklemmt und wartete auf einer großen, schräg ins Meer reichenden Klippe auf uns. »Du zuerst«, sagte er an mich gewandt.
    Ich nickte ihm kurz zu, entledigte ich mich meiner Klamot ten und nahm den Verband von meinem Unterschenkel ab. Die Wunde war noch längst nicht zugeheilt, sah aber ganz okay aus. Ehe Cyril etwas Gegenteiliges bemerken konnte, hatte ich ihm bereits meine Sachen in die Hand gedrückt und mich ins Wasser gleiten lassen.
    Als meine Beine sich zum Haischwanz schlossen, durchschnitt ein kurzer brennender Schmerz meinen Flossenansatz, danach spürte ich kaum noch etwas von der Verletzung.
    Ich stieß mit dem Kopf durch die Oberfläche und rief: »Alles klar. Wir sehen uns in einer Viertelstunde!«
    Bitte, bleib in unserer Nähe!, antwortete Cyril.
    Das ließ sich machen, mehr noch: Es war mir sogar sehr recht.
    Und so verharrte ich geduldig auf der Stelle, bis über mir ein länglicher Schatten erschien, der allmählich schneller werdend aufs Meer hinausglitt und schließlich in südöstlicher Richtung davonschoss.
    Ich folgte ihm mit bedächtigen Flossenschlägen und stellte mir vor, wie die beiden über mir auf dem Brett standen, das von kräf tigen Windböen getrieben über hohe dunkle Wellen sprang.
    Meine Gedanken waren ganz bei Ruby.
    Ich fragte mich, ob sie wohl Angst hatte oder ob sie Cyril eben so vertraute, wie ich es tat. Vielleicht stellte das Meer für sie aber auch überhaupt keinen Schrecken mehr dar. Es hatte ihr den Bruder entrissen und Ashton getötet. Das Endgültige, das seinem Tod anhaftete, hatte jedoch auch einen positiven Aspekt. Ruby war in der Lage abzuschließen, die Dinge

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