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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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aussah.
    »Schon gut, Elodie, schon gut.«
    Ihre Stimme zitterte so sehr, dass ich Angst hatte, sie könnte ihr jeden Augenblick wegbrechen, und ich ertappte mich dabei, dass auch ich mir die alten Zeiten zurücksehnte. Als sie und Pa und ich noch eine Familie gewesen waren und es nichts und niemanden gab, der das infrage stellen konnte. Mam durfte nicht weinen, ich wollte, dass sie stark war, ich wünschte mir so sehr, dass sie nur ein einziges Mal stärker war als ich. Und als ich erkannte, dass dieser Moment jetzt gekommen war, wurde es ganz kalt in meiner Brust.
    Meine Mutter hatte eine Entscheidung getroffen. Sie ließ mich zurück, weil sie sich um sich selbst und ihr Leben kümmern woll te. Weil sie mit mir und meinem Leben nichts mehr anzufangen wusste und weil sie genau das nun begriffen hatte.
    Für sie schien die Tatsache, dass sie ebenfalls das Nixgen in sich trug, keine Rolle zu spielen. Sie hatte sich nie verwandelt. Ihre Zukunft hatte mit dem Meer nichts zu tun.
    Eigentlich hätte ich stolz auf sie sein müssen, stattdessen wurde ich von einem Gefühl tiefer Trauer übermannt. Ein Gefühl, das mir nur zu bekannt war und das mir verdeutlichte, dass ich vor we nigen Minuten innerlich doch noch nicht ganz tot gewesen war.

Es war anders als vor sechs Wochen in Lübeck. Ich suchte nicht nach einem inneren Versteck, wollte mich weder verkriechen noch vergessen, sondern hatte schlicht resigniert.
    Ich hatte die Hoffnung aufgegeben, noch irgendetwas bewir ken, geschweige denn verhindern zu können, sogar die Hoffnung, Gordian jemals wiederzusehen. Im Grunde hatte ich mit allem abgeschlossen.
    Die Ilhas Desertas, Idis, Cullum, Oceane, Kirby, Poy, Malou, ja selbst Neerons Worte und auch meine Liebesnacht mit Gordy, all das war mir unendlich fern.
    Ich fühlte mich keinem Ort verbunden, weder dieser Insel noch Lübeck oder dem Meer, denn das, was ich einmal als meine Bestimmung angesehen hatte, existierte nicht mehr.
    Was geschehen sollte, würde ohne mich geschehen. Es sei denn, Kyan oder Skint oder vielleicht sogar Javen Spinx persön lich würden mich holen und meinem Leben ein Ende bereiten.
    Wahrscheinlich würde ich mich nicht einmal wehren.
    Die Einzigen, für die ich bis zum Schluss zu kämpfen bereit war, waren meine Mutter, Tante Grace, Sina und Ruby. Ihnen durfte auf keinen Fall etwas zustoßen. Alle anderen trugen ihr Schicksal in den eigenen Händen.
    Ich war heilfroh, als Mam einige Tage später, am Montag, den  11. Juni, tatsächlich abreiste. Auch wenn ich nicht wusste, was Kyan plante und wie viele Delfinnixe er mittlerweile auf seine Seite gezogen hatte, war ich mir sicher, dass ihr in Lübeck zumindest vorläufig nichts passieren konnte. Und deshalb setzte ich auch alles daran, Sina davon abzubringen, mich in den Sommerferien auf Guernsey zu besuchen. Ich erzählte ihr von Ashtons Unfalltod und davon, dass die Stimmung hier alles andere als gut sei und ich daher viel lieber irgendwo anders mit ihr meine Zeit verbringen würde.
    Sina war sofort Feuer und Flamme. Sie klapperte ein Reisebü ro nach dem anderen ab, durchforstete Urlaubsbroschüren und suchte im Internet nach günstigen Angeboten. Wir telefonierten mindestens dreimal in der Woche miteinander, schmiedeten Plä ne und verwarfen sie wieder, bis Sina schließlich zusammen mit Sarah und Bille für zwei Wochen ein Ferienhaus für vier Perso nen auf Gotland buchte, und ich versprach, dort ganz zufällig als Überraschungsgast aufzukreuzen.
    Ruby sah ich bis Mitte Juni nahezu jeden Tag.
    Sie sprach nicht viel, und ich bohrte auch nicht nach, denn mir war klar, dass sie zuerst mit sich und ihren Eltern ins Reine kom men musste, bevor sie bereit war, darüber zu reden. Allerdings hatte ich ihr von meinen Gesprächen mit Javen Spinx und Cyril erzählt, und ich sah ihr an, wie sehr die Sache an ihr nagte. Keine Frage, sie hatte Cyril gern. Sie wollte nicht auf seine Besuche ver zichten und meinetwegen brauchte sie das auch nicht.
    Meistens saßen wir still beieinander. Das Schweigen trennte uns nicht, im Gegenteil: In gewisser Weise war es sogar verbin dend.
    Mittlerweile ging es auf Neumond zu und das machte mich ner vös. Ich hatte den Kalender im Auge, und mir war klar, dass Kyan erst in zehn Tagen, nämlich bei zunehmendem Halbmond, wie der als Delfin ins Meer zurückkehren würde, aber ich kannte we der Zaks Verwandlungszyklus noch wusste ich, wo er sich aufhielt.
    Zwar ging das Mädchen, das in der Nähe der amerikanischen Ost küste in

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