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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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auseinander und trieben uns einem riesigen Riff entgegen. Die Bisse unsichtbarer Delfine jagten brennende Schmerzen durch meinen Körper. Ich hörte Gor dians Schreie und sah, wie das Riff in rasender Geschwindigkeit auf mich zukam. Ich wusste, ich würde daran zerschellen, aber dann veränderte es plötzlich seine Gestalt und wurde zu einem gigantischen Wal, der sich schwerfällig vom Grund des Meeres erhob. Unter der zarten Außenhaut glaubte ich Neerons Gesichts züge zu erkennen. Und Pattons. Oma Hollys. Mams.
    Vergesst nicht, wer ihr seid, raunten sie mir zu. Erinnert euch.
    Nein!, brüllte ich. Nein. Nein. Nein!

    Als ich zu mir kam, lag ich auf meinem Bett. Mam und Tante Grace saßen neben mir und hielten ihre verängstigten Blicke auf mich gerichtet.
    »Was ist passiert?«, fragte meine Mutter, kaum dass ich die Au gen aufgeschlagen hatte. »Und wo sind Ruby und Cyril?«
    »Zu Hause«, murmelte ich. »Ruby … ist zu Hause und Cyril … hat etwas zu erledigen.«
    »Du warst ohnmächtig«, sagte Tante Grace. »Wir haben dich auf dem Boden liegend gefunden.« Sie schüttelte den Kopf. »Hast du eine Erklärung dafür?«
    Ich nickte. Es geschah mehr oder weniger automatisch.
    Mam tastete nach meiner Hand und streichelte sie, während sich in die Miene meiner Großtante ein Ausdruck von Ungeduld schlich.
    »Es wird nicht wieder passieren«, sagte ich, entzog meiner Mut ter die Hand und setzte mich auf.
    Die Ungeduld in Tante Graces Gesicht wich und stattdessen breitete sich Unwillen darin aus. »Wie kannst du das so genau wissen?«
    »Ist einfach so«, murmelte ich.
    Wenn man tot war, konnte man nicht ohnmächtig werden. Und ich war ganz eindeutig tot oder zumindest das, was mich aus machte, was ich fühlte und was meinem Dasein einen Sinn gab.
    »Hast du dich mit Cyril und Ruby gestritten?«, drang Mam wei ter in mich.
    Aus irgendeinem Grund schien ihr das eine schlüssige Erklä rung für alles zu sein.
    »Weder noch«, sagte ich, während ich langsam aufstand und mich vergewisserte, dass meine Beine mich sicher trugen. »Ich hat te eine Auseinandersetzung mit Javen Spinx«, setzte ich unvermit telt hinzu. »Und die war in der Tat ein wenig anstrengend.«
    »Du hast ihn getroffen?« Nach anfänglicher Sprachlosigkeit war meine Mutter jetzt völlig aus dem Häuschen.
    »Ja, zufällig«, bremste ich ihren Enthusiasmus. »Er will dich im Übrigen nicht treffen.«
    Mam, die gerade ebenfalls im Begriff war aufzustehen, sank wieder auf die Bettkante zurück. »Du hast ihm doch nicht etwa gesagt, dass ich ihn gerne wiedersehen würde!«
    »Ich nicht, aber Cyril. Du hattest ihn darum gebeten …«
    Meine Mutter senkte beinahe beschämt den Blick und schüttel te schließlich den Kopf. »Die Auseinandersetzung mit ihm … Ich hoffe, du hattest sie nicht meinetwegen?«
    »Nein«, sagte ich. »Es ging um die Beziehung der Nixe unterei nander. Leider sieht es so aus, als würde es keine Verständigung zwischen Delfinnixen und Hainixen geben.«
    Mam sah mich etwas begriffsstutzig an. »Und was bedeutet das?«, wollte sie wissen.
    »Dass Gordian und ich endgültig keine Zukunft miteinander haben werden.«
    Meine Mutter tat einen schweren Atemzug. »War das denn nicht sowieso schon längst klar?«
    »Ach, Mädchen.« Leise seufzend drückte Tante Grace ihr den Arm. »Ich verstehe zwar nicht viel von Liebesdingen, aber selbst mir ist klar, dass in kaum einer anderen Angelegenheit Kopf und Herz in ihrer Beurteilung so weit auseinanderliegen können wie in dieser«, sagte sie so, als würde sie einen Logarithmus erklären.
    Meine Mutter machte eine unwillige Geste und strich dann für ein paar Sekunden gedankenverloren über das Laken.
    »Ich bin jetzt lange genug hier gewesen«, sagte sie plötzlich, und als unsere Blicke sich trafen, sah ich in einen Abgrund aus Hilf losigkeit, Mitgefühl und Verzweiflung. »Keine Ahnung, was ich mir erhofft habe. Vielleicht hatte ich mir eingebildet, dich in dein altes Leben zurückholen zu können oder zumindest ein wenig an deinem neuen teilzuhaben. Mittlerweile ist mir jedoch klar gewor den, dass ich dir nicht einmal beistehen, geschweige denn helfen kann.«
    »Mam«, sagte ich leise. »Mam.«
    Ich wollte sie in den Arm nehmen, aber ich bekam es einfach nicht hin. Mit einem Mal schien sie so weit von mir entfernt zu sein wie der Mond von der Erde. Wir gehörten zusammen, wir konnten nicht ohne einander, aber wir waren auch nicht in der Lage nachzuempfinden, wie es im anderen

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