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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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einem Treibnetz gefunden worden war, ganz eindeutig auf sein Konto, doch seitdem waren gut drei Wochen vergangen, inzwischen konnte Zak längst wieder hier im Ärmelkanal sein.
    Die Verlockung, ins Meer abzutauchen und mich nach ihm umzusehen, war groß, doch die Angst, ihm, Kyan oder einem Hai nix, der mich lieber tot als lebendig sah, in die Fänge zu geraten, bevor ich Ruby und meine Großtante in Sicherheit wusste, hielt mich zurück.
    Den größten Teil des Tages und auch die Nächte verbrachte ich im Haus, im Garten oder auf der Veranda. Manchmal ertappte ich mich dabei, dass ich nach Aimee Ausschau hielt. Die Woche, die sie mir gegeben hatte, um Gordy zu kontaktieren, war längst verstrichen, doch bisher war sie hier nicht wieder aufgekreuzt. Vielleicht hatte sie eingesehen, dass ihre Drohung, mir nicht mehr von der Seite weichen zu wollen, ziemlich absurd war, oder es sich mittlerweile anders überlegt. Jedenfalls hatte ich nicht das Gefühl, mir deswegen noch groß Gedanken machen zu müssen.
    Soweit sie es zuließ, ging ich Tante Grace zur Hand. Ich half ihr beim Unkrautjäten, beim Hausputz und mit der Wäsche.
    Natürlich erkundigte sie sich nach Cyril, und ich erklärte ihr mit wenigen knappen Sätzen, dass ich ihm nicht mehr vertraute und ihm gesagt hätte, dass ich ihn nicht mehr sehen wolle.
    »Muss ich das alles verstehen?«, hatte sie mich daraufhin mit ernster Miene gefragt.
    Ich hatte mit den Schultern gezuckt und dann den Kopf ge schüttelt und ihr geantwortet, dass ich das meiste davon inzwi schen selber kaum noch begreifen könne.
    »Was glaubst du, was passieren wird?«, hatte sie wissen wollen.
    »Die Hainixe werden die Delfinnixe, die in der Lage sind, an Land zu gehen, töten«, hatte ich geantwortet. »Wahrscheinlich werden die Inselbewohner gar nichts davon mitbekommen.«
    Das zumindest hoffte ich noch immer, ebenso wie ich mir mitt lerweile wünschte, dass es Skint irgendwie gelingen würde, Kyan zu erledigen. Es war mir zwar schleierhaft, wie er das anstellen sollte, aber vielleicht konnte Skint sich ein Talent aneignen, das es ihm erlaubte, den Chamäleon-Effekt zu neutralisieren. Daran, dass Gordy noch lebte, glaubte ich inzwischen schon fast nicht mehr. Hätte er Kyan aufgespürt, hätte er längst hier auftauchen müssen, um sich mit mir abzusprechen, dessen war ich mir sicher. Nein, nein, auch wenn es so wehtat, dass es mich innerlich fast in Stücke riss, ich musste mich mit diesen Gedanken auseinander setzen: Entweder war Gordian den Hainixen zum Opfer gefallen oder die Delfine hatten ihm seine Verbindung mit Kirby nicht abgenommen und ihn selbst getötet – was ich nach den jüngsten Erfahrungen mit meiner eigenen Spezies für sehr viel wahrschein licher hielt.

    Es erwischte mich, als ich überhaupt nicht mehr damit rechnete. Mitten in der Nacht schreckte ich aus einem Traum hoch, in dem ich wieder einmal meterhohe Wellen und gleißende Lichter ge sehen und Gordys warnende Rufe gehört hatte. Tränen rannen mir aus den Augenwinkeln und tropften auf mein Kopfkissen. Mein Gesicht war glühend heiß und meine Kehle fühlte sich tro cken und wund an. Noch tausendmal schlimmer aber war der Schmerz, der sich während des Traumschlafes in meinem Herzen eingenistet hatte.
    Ich erlebte Pas Tod, als wäre er gerade erst passiert. Ich spürte die Hilflosigkeit, die Verzweiflung und die Angst, die ich Anfang des Jahres so vehement verdrängt hatte, nun überdeutlich. Alles vermischte sich mit dem Entsetzen und der Sorge um Ruby, die ich empfunden hatte, als Ashton ermordet wurde, und der Qual, die meine Seele zu zersplittern drohte, sobald ich den Gedanken zuließ, dass Gordy vielleicht nicht mehr lebte. Und mit einem Mal wusste ich: Ich durfte ihn nicht einfach aufgeben, ihn nicht aus meinem Leben streichen und für tot erklären, solange ich nicht sicher wusste, nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, dass er gestorben war.
    Ich gab mich dem Schmerz, der Angst und der Trauer hin, bis ich mich vollständig darin aufgelöst hatte – und kehrte bei Son nenaufgang mit neuer Kraft in mein Leben zurück.
    Von nun an hielt ich das Meer, so gut es ging, im Auge und hatte bald den Eindruck, dass inzwischen mehr Polizeiboote und Schiffe der Küstenwache patrouillierten als üblicherweise. Bade- oder Surfverbote wurden jedoch nicht verhängt und auch in den Zeitungen war nichts mehr über die vermeintliche Meerbestie oder die Seejungfrau von Madeira zu lesen. – Bis ein sechzehn jähriges

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