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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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Hauseingang.
    Just in diesem Moment trat Tante Grace heraus. Sie trug ihre Küchenschürze und darüber ihre brombeerfarbene Strickjacke und sah alles andere als ausgehbereit aus.
    »Oh, du sitzt ja noch immer hier!«, rief sie. »Ich wollte gerade die Polster hereinholen.«
    »Und ich dachte, du wärst längst weg«, erwiderte ich.
    »Ach.« Sie machte eine abwinkende Geste. »Die gute alte Maggie Bloomsburg hat doch glatt übersehen, dass heute Neumond ist. An solchen Tagen nimmt sie um sechzehn Uhr ihre letzte Mahlzeit ein, macht sich zwei Stunden später einen Leberwickel und geht früh ins Bett.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich befindet sie sich längst im Tiefschlaf und verpasst diesen wundervollen Sonnenuntergang.«
    Ich schluckte. »Den du dir natürlich nicht entgehen lassen willst?«
    »Nicht eine Sekunde, Kindchen. Nicht eine Sekunde.« Tante Grace hatte die Veranda inzwischen erreicht. Sie trat an mich heran und fasste mich unters Kinn. »Und ich hätte nichts dagegen, wenn du mir dabei ein wenig Gesellschaft leisten würdest.«
    Ich wollte irgendwelche Ausflüchte erfinden, dass ich müde sei oder noch mit Sina zu einem Telefonat verabredet, doch ihr Blick erstickte meine Absicht im Keim. Es war nicht zu übersehen, wie ernst es ihr war, und garantiert ging es ihr dabei nicht um den Sonnenuntergang oder ein gemütliches Beisammensein, vermut lich hatte sie sogar den Neumondspleen ihrer Bekannten nur er funden – nein, nein, mittlerweile kannte ich meine Großtante gut genug, um zu erkennen, dass sie todsicher etwas ganz anderes auf dem Herzen hatte. Und nachdem sie mir bedeutet hatte, ein Stück auf der Bank weiterzurücken, kam sie auch gleich zur Sache.
    »Ich habe gehört, dass im Hafen von St Peter Port Decken und Lebensmittel gesammelt und auf Transporter verladen werden«, begann sie, während sie sich neben mir niederließ. »Man mun kelt, dass die Sachen ins Underground Hospital gebracht werden sollen. Angeblich hat Javen Spinx das organisiert.« Ihr Blick bohr te sich jetzt geradezu in mich hinein. »Weißt du etwas darüber?«
    Ich nickte.
    »Hat es mit diesem Interview zu tun, das er heute Morgen im Vormittagsmagazin gegeben hat?«, drang sie weiter in mich, als sie merkte, dass ich mich nicht dazu äußern wollte.
    Ich zuckte die Achseln. »Denke schon.«
    »Herrgott, Elodie, muss ich dir denn jeden Wurm einzeln aus der Nase ziehen!«, brauste sie auf.
    »Mehr kann ich dir nicht sagen«, erwiderte ich.
    »Ach nein, und warum nicht?«
    Weil es niemandem etwas nützt, wenn du jetzt durchdrehst, dachte ich. Du und die anderen. Allerdings hatte ich auch keine Idee, wie ich sie nun, da sie bereits so aufgebracht war, wieder be ruhigen sollte. Letztendlich blieb mir wohl nichts anderes übrig, als ihr einen Teil der gestohlenen Erinnerungen wieder zurückzu geben.
    »Es stimmt, was Javen Spinx gesagt hat: Lauren und Bethany und die beiden Mädchen, die man in den Netzen gefunden hat, sind von Delfinnixen ermordet worden. Der Nix, den sie im Früh jahr gejagt und getötet und anschließend in die Rechtsmedizin nach London verfrachtet haben, hat allerdings nur indirekt etwas damit zu tun.«
    »Es ist also tatsächlich nicht bloß ein Delfin gewesen, wie es anfangs in den Zeitungen stand?«, vergewisserte sich Tante Grace.
    »Nein. Er hieß Elliot und hatte seine menschliche Gestalt, als er harpuniert und gefangen wurde. Ich kannte ihn flüchtig«, rat terte ich mehr oder weniger ohne Betonung herunter. »Ich will ihn weiß Gott nicht in Schutz nehmen, aber wie eine Bestie sah er nun echt nicht aus. Was Javen Spinx sagt, ist maßlos übertrie ben«, fuhr ich hastig fort, ehe meine Großtante womöglich eine Diskussion über Gut und Böse vom Zaun brach. »Eigentlich gibt es nur zwei Delfinnixe, die wirklich gefährlich sind. Gordian und die Hainixe kümmern sich um sie.«
    Tante Grace nickte und lehnte ihren Kopf dann langsam zurück gegen die Hauswand. Gedankenverloren spielte sie mit etwas, das sich in ihrer Jackentasche befand und bei jeder Berührung leise knisterte. »Dann habt ihr euch also zusammengeschlossen? Hai nixe und Delfinnixe?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Nein, leider nicht«, antwortete ich zögernd. »Wir haben zwar das gleiche Ziel, sind uns aber trotzdem spinnefeind.«
    Tante Grace hatte sich wieder nach vorn gebeugt und musterte mich mitfühlend. »Es tut mir sehr leid für dich und Gordian.«
    Meine Kehle zog sich zusammen und ein fieses Brennen stieg meinen

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