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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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hatte, fiel es mir nicht schwer, mich zu orientieren. Problemlos richtete ich mich nach Nordosten aus und legte mit zwar zügigen, aber nicht allzu kräftigen Flossenschlä gen Seemeile um Seemeile zurück.
    Idis folgte mir mit ihrer Delfinschule, dirigierte die Tiere mal an unsere rechte, mal an unsere linke Seite und ließ sie die unterschiedlichsten Formationen schwimmen. Das alles geschah vollkommen lautlos, ohne die kleinste Geste oder das winzigste Augenzwinkern.
    Sie hören meine Gedanken , erklärte Idis mir.
    Und du hörst offensichtlich meine, entgegnete ich ein wenig un gehalten, denn ich gab mir wirklich alle Mühe, sie für mich zu behalten.
    Dann solltest du dich vielleicht noch ein bisschen mehr anstrengen, riet Idis mir, und plötzlich überkam mich die Idee, dass diese gemein same Reise nicht nur ein Training für sie und die Delfine war, sondern auch für mich.
    Kluges Mädchen.
    Verblüfft wandte ich mich zu ihr um. Gibt es einen Trick?
    Sie grinste von einem Ohr zum anderen. Jep.
    Verdammt! Warum hatte Gordian ihn mir dann nicht längst verraten? Es wurmte mich, dass ich wieder und wieder an den Punkt kam, mich über ihn zu ärgern.
    Dann lass es doch, erwiderte Idis. Dein Herz und dein Kopf laufen fast über vor Begeisterung, wie superperfekt er in deinen Augen ist. Warum vertraust du ihm also nicht? Ich meine, was dich betrifft, hatte er ganz sicher nie etwas Böses im Sinn.
    Ich stieß ein leises Murren aus, doch dann sah ich ihr Lächeln, das beinahe ebenso entwaffnend war wie das ihres Bruders.
    Denk einfach mal was und beobachte, wo sich dieser Gedanke befindet, sagte sie nun.
    Okay, gab ich seufzend nach, schloss die Augen und tat, was mir am leichtesten fiel: mich nach Gordian sehnen.
    Wow!, jubelte Idis. Offenbar hast du eine verdammt romantische Ader! Möchtest du, dass ich das so an ihn weitergebe?
    Untersteh dich! Sollte ich noch jemals die Gelegenheit dazu be kommen, würde ich es ihm lieber selber sagen.
    Seh ich genauso, erwiderte Idis und legte den Kopf ein wenig schief. Wenn du mir dann jetzt also erklären könntest, in welchen Bereichen deines Körpers sich diese unglaublichen Gedanken abgespielt haben …?
    In meinem Kopf natürlich!
    Und wo noch?
    Ähm … In meinem Herzen.
    Okay, und wo noch?
    Keine Ahnung. Irgendwo dazwischen?
    Also von hier bis hier, vergewisserte Idis sich, indem sie mit ihren Händen die Region zwischen Scheitel und Zwerchfell umspannte. Und wo, glaubst du wohl, lassen sich Gedanken am besten verstecken?, bohrte sie weiter.
    Was weiß denn ich! Ich glaube jedenfalls nicht, dass ich mit meinem Hintern denken kann.
    Es wäre vielleicht einen Versuch wert, entgegnete Idis achselzuckend.
    Ich schnappte nach Luft, und es lag mir auf der Zunge, sie zu fragen, ob sie mich zum Narren halten wollte, da bemerkte ich, wie ihre Augen plötzlich glasig wurden.
    Was ist los?
    Psst, zischte sie, während sie allmählich ihr Tempo verringerte und schließlich stoppte. Nicht so laut!
    Angespannt hielt sie ihren Blick auf mich gerichtet, und wie der brauchte ich einen Moment, bis mir klar wurde, dass sie gar nicht mich anstarrte, sondern hochkonzentriert in sich hinein zulauschen schien. Unterdessen glitten die Delfine langsam aus einander und bildeten einen Kreis um uns herum – ihre Köpfe wachend nach außen und die Schwanzflossen schützend uns zu gewandt. Es war so unglaublich, dass mir der Atem stockte.
    Gefahr, wisperte Idis.
    Ich hörte das Wort und zwang mich, nichts zu denken – und auch nichts zu fühlen.
    So ist es gut, raunte Idis. Kühler Kopf, stummes Herz.
    Ihr Lob verpuffte irgendwo zwischen Bauchnabel und Scham bein, und plötzlich wusste ich, was sie meinte. Der geheime Ort ei ner Nixe befand sich in ihrem Beckenboden, dort, wo der Mensch wohl die Wirbel und Knochen eines gewöhnlichen Hais oder Del fins vermuten würde. An dieser Stelle teilte sich unser Schwanz in Beine und schloss sich wieder zu einer Flosse zusammen. Hier brannte nicht nur das Feuer der Leidenschaft, Kraft und Aggres sion, sondern hier war auch der Ort, an dem wir unsere Erinne rungen bewahrten, unsere Talente ausbildeten und an dem in der vergangenen Nacht Gordians und meine Seele zusammengefun den hatten.
    Der Ort unserer tiefsten Empfindungen, erklärte Idis. Nur von hier aus können wir verschlüsselte Botschaften versenden. Du hast es wahrscheinlich schon unzählige Male getan, ohne dass du dir dessen bewusst warst.
    Vielen Dank für die kleine Lehrstunde, sendete ich aus

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