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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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war, hatte sich so viel verändert, und irgendwann würde ich Sina davon erzählen müssen. Das war ich ihr, nein, das war ich uns beiden und unserer Freundschaft schuldig.
    Damit Mam und ich uns nicht unnötig in die Quere kamen, wie Tante Grace sich ausdrückte, hatte sie beschlossen, meine Mutter im Gästehaus einzuquartieren. Das Zimmer, das Gordian damals bewohnt hatte, war nämlich noch immer frei. Dabei hätte sie es inzwischen schon etliche Male vermieten können, doch ir gendwie hatte sie wohl geahnt, dass sie es noch brauchen würde.
    Ein Gefühl tiefer Wehmut nahm von mir Besitz. In den letzten Monaten hatte ich ständig auf irgendeine Weise Abschied neh men müssen. Von Pa … und von Sina … von Gordy … von Ashton … und jetzt gewissermaßen auch noch von meiner Mam.
    Es wird nicht für immer sein, drangen Cyrils Gedanken in meine, und in der nächsten Sekunde schwang er sich auch schon über das Balkongeländer und trat zu mir ins Zimmer. »Deine Mutter braucht bloß etwas Zeit, um sich daran zu gewöhnen, dass du jetzt ein völlig anderes Leben führst«, setzte er hinzu, während er sei nen Arm um mich legte.
    »Ja, vielleicht.« Leise seufzend widerstand ich dem Drang, mei nen Kopf an seine Schläfe zu schmiegen.
    »Bestimmt. Sie ist eine Menschenmutter. Die stehen zu ihren Kindern.« Cyril schenkte mir ein verschmitztes Lächeln. »Glaub mir, ich kenn mich da aus.«
    Ich sah ihn von der Seite an und wunderte mich einmal mehr darüber, wie vertraut er mir war. Dass ich vor Kurzem noch eine furchtbare Wut auf ihn gehabt hatte, konnte ich in diesem Mo ment kaum nachvollziehen.
    »Klar«, sagte ich und stupste ihn mit dem Ellenbogen an.
    Unsere Blicke trafen sich, ich registrierte die Wärme in seinen dunklen Augen und einen Atemzug später fand ich mich schluch zend in seinen Armen wieder.
    »Hätte ich unterwegs doch auch etwas gegessen«, brach es aus mir hervor. »Dann wäre ich bei Kräften gewesen und hätte Ruby und Ashton retten können!«
    »Nein, Elodie, nein.« Cyril drückte mich fest an sich. »Es ist nicht deine Schuld … sondern mein Fehler. Ich hätte mich um Ruby kümmern sollen und nicht um ihn. Aber ich habe die Vor stellung nicht ertragen, wie sehr sie leiden würde, wenn sie Ashton verliert, und deshalb wollte ich ihn so schnell wie möglich an Land bringen. Ich habe einfach nicht darüber nachgedacht, dass du seinen unruhigen Körper viel besser hättest halten können als ich.«
    Ich hörte augenblicklich auf zu weinen, lehnte mich zurück und betrachtete ihn kopfschüttelnd.
    »Du bist einfach unglaublich, Cyril, weißt du das?«
    Er hob erstaunt die Brauen. »Keine Ahnung, wie du das meinst.«
    »Na ja, statt Ruby hast du das zu retten versucht, was ihr das Liebste ist«, antwortete ich.
    »Was hätte ich denn sonst tun sollen?«, entgegnete er. »Sie aus dem Wasser hieven und Ashton ertrinken lassen?« Jetzt schüttel te er den Kopf. »Das hätte ich ihr nicht antun können. Die Ge schichte mit ihrem Bruder macht ihr schließlich schon genug zu schaffen.« Seine Miene verfinsterte sich. »Aber lassen wir diese Hypothesen«, brummte er. »Ruby hat Ashton verloren, weil ich meinen Verstand nicht gebraucht habe.« Er hockte sich auf die Kante meines Bettes, stützte die Ellenbogen auf seine Oberschen kel und barg das Gesicht in seinen Händen. »Und das werde ich mir nie verzeihen.«
    »Ach, Cyril«, sagte ich, schloss das Fenster bis auf einen schma len Spalt und setzte mich neben ihn. »Das ist doch auch nur hypo thetisch. Du … Wir beide haben in dieser Situation vielleicht nicht richtig gehandelt, aber wir haben getan, was wir tun konnten …«, fuhr ich fort und schluckte das stramme Gefühl in meinem Hals entschlossen hinunter. »Es hat eben nicht gereicht. Und jetzt müssen wir für Ruby da sein. Sie wird uns brauchen, Cyril … Dich genauso wie mich.«

    Er rieb sich über die Augen und nickte.
    »Falls du noch irgendwelche Zweifel hegst: Sie mag dich«, be tonte ich. »Ich weiß, dass sie dich mag.«
    »Das ist nicht wichtig«, erwiderte er. »Denn es bringt sie nicht weiter. Das Einzige, was zählt, ist, dass sie irgendwann wieder la chen kann. Und wenn ich die Möglichkeit habe, ihr dazu zu ver helfen, werde ich das selbstverständlich tun.«
    Ich ließ mich rücklings aufs Bett fallen und richtete meinen Blick zur Decke. Cyrils Haltung war wirklich überaus erstaunlich, und ich bildete mir ein, darin eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Vater zu erkennen.

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