Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
Vom Netzwerk:
aufmerksam. »Du nicht?«
    »Jane ist ein wenig vorbelastet«, erwiderte er ausweichend.
    »Wie meinst du das?«
    Cyril schüttelte den Kopf. »Das soll sie dir selber sagen.«
    »Es hat mit Bo zu tun, stimmt’s?«, bohrte ich weiter. »Und mit ihrer Verletzung?«
    Cyril schwieg, und ich wusste, dass ich richtiglag, allerdings war mir auch klar, dass ich keine Einzelheiten aus ihm herausbekom men würde. Und so änderte ich meine Strategie und sprach etwas an, das ich instinktiv für einen wunden Punkt in seinem Leben hielt. »Was ist mit deiner Mutter?«
    »Sie ist tot«, sagte Cyril knapp.
    Mein Herz machte einen Satz. Es tat mir sehr leid für ihn, aber genau das hatte ich vermutet.
    »Und … wie ist sie gestorben?«, fragte ich vorsichtig.
    »In einem Treibnetz.«
    »Aber …?«
    Meine Gedanken waren offensichtlich schneller, denn Cyril be antwortete meine Frage bereits, bevor ich sie stellen konnte.
    »Tote Hainixe verwandeln sich nicht mehr. Wenn sie aus dem Wasser gezogen werden, sehen die Menschen nichts anderes als ein Tier. Sterben sie dagegen an Land, behalten sie ihre mensch liche Gestalt. Ob es sich bei den Delfinen genauso verhält, weiß ich nicht. Zum einen sind sie erst seit Kurzem Landgänger und zum anderen unterliegen sie ganz anderen Gesetzmäßigkeiten als wir Haie.«
    Nun, die Beobachtungen, die Joelles Cousin vor ungefähr zwei Monaten in Bezug auf Elliot in der Rechtsmedizin gemacht hatte, deuteten zumindest darauf hin, dass ein Delfinnix, der als Mensch starb, nach seinem Tod wieder in seine Urform zurückfiel. Was da mals jedoch tatsächlich mit Elliots Leichnam geschehen war und ob nicht einige Dinge in gewisser Weise manipuliert beziehungs weise absichtlich falsch weitergegeben worden waren, würden wir wahrscheinlich nie erfahren.
    »Und was ist mit den Verletzungen der Außenhaut, die die Hai nixe sich an den Schnüren der Netze zuziehen?«, fragte ich weiter. »Könnten die nicht einen Blick auf ihren menschlichen …?«
    »Nein.« Cyril schüttelte den Kopf. »Die sehen aus wie ganz normale Abschürfungen. Meine Mutter hatte allerdings nicht eine einzige Wunde«, setzte er hinzu. »Die Menschen haben ihren Leib äußerlich völlig unversehrt an Land gezogen.«
    »Woher …?« Ein eiskalter Stich schoss mir durch die Brust. »Oh, mein Gott, Cyril, du bist dabei gewesen!«
    Er senkte den Blick und zum ersten Mal bemerkte ich einen Ausdruck tiefen Leids auf seinem Gesicht.
    »Javen und ich haben sie gesucht«, begann er schließlich zu erzählen. »Das war nicht einfach, denn sie hielt ihre Gedanken verborgen. Sie wollte nicht, dass wir sie sterben sehen. Und als wir sie schließlich fanden, zeigte sie sich uns auch nicht, sondern versteckte sich inmitten der gefangenen Fische.«
    »Wie habt ihr sie dann überhaupt entdecken können?«
    »Mein Vater hat nach ihr gerufen. Es muss sehr eindringlich gewesen sein, denn irgendwann hat sie geantwortet. Javen hat ihr klargemacht, dass es unendlich viel schwerer für mich wäre, ihren Verlust zu verarbeiten, wenn sie einfach nur verschwände und ich nie erführe, was mit ihr passiert war.«
    »Hätte das Gleiche nicht auch für ihn gegolten?«
    Cyril sah kurz auf.
    »Schwer zu sagen«, erwiderte er, »… ob Javen Spinx liebt. Er lebt ausschließlich für sein Ziel.«
    Ich wollte das nicht glauben, oder zumindest war ich nicht be reit, es einfach hinzunehmen. Immerhin hatte er mir gegenüber vorgegeben, meine Mutter sehr gemocht zu haben. Die Vorstel lung, dass das alles nur Schauspielerei oder gar Kalkül gewesen sein sollte, gefiel mir nicht.
    »Hainixe verstellen sich nicht«, wandte Cyril sofort ein. »Schon vergessen?«
    Nein, das hatte ich nicht.
    Allerdings glaubte ich inzwischen, dass Javen Spinx diesbezüg lich womöglich eine Ausnahme war.
    Cyril nickte. »Vielleicht hast du recht. Ich durchblicke das, was er tut, manchmal selber nicht. Grundsätzlich fällt es allen Hai nixen leichter, tiefere Gefühle für Menschen zu entwickeln als gegenüber ihren eigenen Artgenossen. Hainixmütter lieben ihre Kinder natürlich … und umgekehrt«, fuhr er fort. »Bei Vätern sieht das schon etwas anders aus. Eigentlich gehen wir keine Be ziehungen ein. Schon gar keine lebenslänglichen.«
    »Tyler hat sich in Lauren verliebt«, hielt ich dagegen.
    Cyril lächelte schwach. »Sich zu verlieben oder zu lieben ist das eine, es dann auch zu leben, das andere.«
    Stirnrunzelnd sah ich ihn an. Mittlerweile kannte ich ihn ja schon recht gut, und dennoch

Weitere Kostenlose Bücher