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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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weinte. »Ihn einfach rausgeschmissen?«
    »Das ist nicht so leicht zu erklären«, entgegnete ich. »Aber ich will es wenigstens versuchen. Erinnerst du dich noch an unsere Bahnfahrt zum Friedhof?«
    »Natürlich.«
    »Damals habe ich etwas gesagt, das du nicht ernst genommen hast«, tastete ich mich vor.
    »Also, daran erinnere ich mich nun wirklich nicht«, erwiderte sie ein wenig ungeduldig.
    »Es war etwas ziemlich Schräges …«
    Ein paar Sekunden vernahm ich wieder nur ihren Atem.
    »Ach, du meinst wohl das mit der Nixe!«, platzte sie schließlich heraus. »Was hat denn das, bitte schön, mit Frederik zu tun?«
    »Eine ganze Menge, Sina … Es ist nämlich wahr.«
    »Wie jetzt?«
    »Ich bin eine Nixe«, sagte ich. »Ein Halbwesen. Ich habe die sen Teil in mir verdrängt und daher rührte auch meine Panik vor dem Wasser.« Ich merkte, dass Sina etwas sagen wollte, aber ich ließ mich nicht unterbrechen. Ich wollte jetzt alles erzählen und entweder sie hörte mir zu und glaubte mir oder sie tat es nicht. »Als ich im März hierher nach Guernsey kam, verstärkte sich diese Angst zunächst«, fuhr ich also fort, »doch dann traf ich Leute, in deren Gegenwart ich plötzlich damit umgehen konnte, bis ich diese Panik schließlich ganz verlor. Sie alle sind ebenfalls Nixe. Ver stehst du, Sina? Ich musste hierherkommen, und vor allem musste ich Gordian treffen, um das zu werden, was ich wirklich bin.«
    Sina schwieg, aber wenigstens legte sie nicht auf.
    »Kann es sein, dass du irgendwelche Drogen nimmst?«, fragte sie schließlich. »Und dass dein Gordian und all diese Leute auf Guernsey bloß Junkies oder Freaks sind?«
    »Nein, Sina«, antwortete ich mit klarer, fester Stimme. »Ich kann es dir jederzeit beweisen. Wenn du willst, setze ich mich in den nächsten Flieger, und wir gehen gemeinsam eine Runde schwimmen.«
    »Ts!« Sie stieß einen Schwall Luft aus. »Du willst also ernsthaft behaupten, dass sich deine Beine in einen Fischschwanz verwan deln, sobald du ins Wasser springst?«, erwiderte sie und nun fing sie an zu lachen. »Weißt du, was? Ich habe mit allem Möglichen ge rechnet, was du mir jetzt als Entschuldigung auftischen würdest, aber diese Geschichte ist ja nicht mal originell. Jeder Arsch weiß, dass es so etwas nicht gibt, El. Wirklich jeder Arsch«, betonte sie.
    »Trotzdem ist es genau so, Sina«, erwiderte ich. »Meine Beine verwandeln sich in eine Flosse, und zwar in die eines Hais. Und genauso impulsiv und unberechenbar wie diese Tiere bin auch ich zuweilen. Zum Beispiel, wenn ich die Wut kriege. Und ich kann dir sagen, die hatte ich, als Frederik bei mir auftauchte und ohne große Umschweife dort anknüpfen wollte, wo wir auf meiner Ab schiedsparty aufgehört hatten.«
    Diesmal schwieg Sina schrecklich lange. Ich spürte mein Herz klopfen und in meinem Kopf kreiste alles ausschließlich um die eine Frage: Würde sie mir glauben? – Würde ich es tun, wenn ich an ihrer Stelle wäre? Wahrscheinlich nicht!
    Sinas schneller unregelmäßiger Atem füllte mein Ohr und vor Aufregung lief mir ein Gänsehautschauer nach dem anderen über den Rücken.
    »Und da hast du Frederik zurückgeküsst, anstatt ihn rauszuwer fen«, kam es schließlich von ihr und nun hörte sich ihre Stimme wieder ziemlich dünn und zittrig an.
    »Ich hätte ihn beinahe ertränkt«, sagte ich rau.
    »Aber …?«
    »Normalerweise sind Nixenküsse tödlich, Sina. Ich kann dir gar nicht beschreiben, wie froh ich bin, dass ich mich dann doch noch unter Kontrolle hatte.«
    Jetzt, da es heraus war, schlug mein Herz noch umso schneller. Eine angespannte Stille breitete sich zwischen uns aus. Keine Fra ge, diese Geschichte musste für einen normalen Menschen völlig abgedreht klingen, dennoch wünschte ich mir so sehr, dass Sina mich nicht für verrückt hielt und zumindest in Erwägung zog, dass ich ihr keine Märchen erzählte. Immerhin waren wir viele Jahre die besten Freundinnen gewesen.
    »Das liegt wahrscheinlich daran, dass du bloß ein Halbwesen bist«, sagte sie unvermittelt, und nun war ich diejenige, die nach Luft schnappte.
    Diese Art von Sarkasmus war neu für mich. So hatte ich Sina bisher nicht gekannt. Aber vielleicht war das ihre Art, mit all dem umzugehen.
    »Nein, andere können es auch«, entgegnete ich ernst und wagte sogar einen weiteren Vorstoß. »Warum hat Frederik dir das mit dem Kuss überhaupt erzählt?«
    Abermals verstrichen ein paar quälend lange Sekunden, bis Sina reagierte.
    »Er hat Schluss

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