Meerjungfrau
hinunter, dass Sanna den ReiÃverschluss zuziehen konnte. »Ich trage ihn dir nach unten.« Er packte den Henkel und schleppte den Koffer am Zimmer der Jungen vorbei.
»Warum fahren wir denn jetzt zu Tante Agneta? Wieso nehmen wir so viele Sachen mit? Bleiben wir lange weg?« Als Christian Melkers verängstigte Stimme hörte, blieb er mitten auf der Treppe stehen. Dann setzte er seinen Weg schweigend fort.
Sanna hockte sich zu ihren Söhnen und sagte so ruhig wie möglich:
»Wir tun einfach so, als ob wir Ferien hätten. Aber wir fahren nicht weit weg, sondern nur zu meiner Schwester und ihren Kindern. Dort findet ihr es doch immer toll. Und heute Abend machen wir es uns gemütlich. Wir sind ja im Urlaub, und da dürft ihr SüÃigkeiten essen, obwohl heute nicht Samstag ist.«
Die Jungen sahen sie argwöhnisch an, aber das Wort SüÃigkeiten schien Zauberkräfte zu besitzen. »Fahren wir da alle hin?«, fragte Melker, und sein Bruder wiederholte lispelnd: »Fahren wir alle dahin?«
Sanna atmete tief durch. »Nein, nur wir drei. Papa muss hierbleiben.«
»Genau. Papa muss hierbleiben und gegen die Bösen kämpfen.«
»Welche Bösen?« Sanna tätschelte Melker die Wange.
»Die unser Zimmer verwüstet haben.« Er verschränkte die Arme vor der Brust und machte ein zorniges Gesicht. »Wenn die wiederkommen, haut Papa sie!«
»Papa wird gegen keine Bösen kämpfen. Die kommen nicht wieder.« Sie strich Melker übers Haar und verfluchte Christian. Warum begleitete er sie nicht? Wieso schwieg er? Sie stand auf.
»Es wird ganz toll. Ein richtiges Abenteuer. Ich helfe Papa nur schnell, unsere Sachen ins Auto zu packen, dann hole ich euch. Okay?«
»Okay«, antworteten sie ohne groÃe Begeisterung. Als sie die Treppe hinunterging, spürte sie ihre Blicke im Rücken.
Sie fand ihn am Auto, wo er gerade das Gepäck in den Kofferraum hievte. Sanna trat zu ihm und griff nach seinem Arm.
»Das ist jetzt die letzte Chance, Christian. Falls du etwas weiÃt, falls du auch nur die geringste Ahnung hast, wer uns so etwas antut, dann sag es mir. Ich flehe dich an. Wenn du jetzt nichts sagst und ich später herausfinde, dass du es wusstest, ist es aus. Klar? Dann ist es aus!«
Christian verharrte mitten in der Bewegung. Einen Augenblick lang glaubte sie, er würde den Mund aufmachen. Dann schüttelte er ihre Hand ab und bugsierte den schweren Koffer ins Auto.
»Hör auf damit. Ich weià nichts!«
Er knallte die Kofferraumhaube zu.
Als Patrik und Paula zur Dienststelle zurückkehrten, kam Annika ihnen im Eingangsbereich entgegen.
»Mellberg ist aufgewacht, während ihr weg wart. Er hat sich ein bisschen aufgeregt, weil er nicht informiert worden ist.«
»Ich habe doch ewig an seine Tür geklopft, aber er hat nicht aufgemacht.«
»Das habe ich ihm auch gesagt, aber er behauptet, er wäre so in seine Arbeit versunken gewesen, dass er nichts gehört hat.«
»Aber sicher.« Wieder einmal wurde Patrik bewusst, wie satt er seinen inkompetenten Chef hatte. Wenn er ehrlich war, hatte er ohnehin vermeiden wollen, Mellberg mitzuschleppen. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Na gut, dann gehe ich unseren hochverehrten Vorgesetzten mal informieren. In einer Viertelstunde treffen wir uns zu einer kurzen Besprechung in der Küche. Sag bitte auch Gösta und Martin Bescheid. Sie sind schon im Anmarsch.«
Er ging geradewegs zu Mellbergs Zimmer und klopfte an die Tür. Fest.
»Komm rein.« Dem Anschein nach war Mellberg tief versunken in einen Stapel Dokumente. »Wie ich höre, hat sich die Lage zugespitzt. In der Ãffentlichkeit macht es keinen guten Eindruck, wenn wir solche Einsätze ohne den ranghöchsten Kommissar durchführen.«
Patrik öffnete den Mund, um etwas darauf zu erwidern, aber Mellberg hob die Hand. Er war offensichtlich noch nicht fertig.
»Wenn wir solche Situationen nicht ernst nehmen, senden wir das falsche Signal an unsere Mitbürger.«
»Aber â¦Â«
»Kein Aber. Ich akzeptiere deine Entschuldigung. Hauptsache, du tust das nicht wieder.«
Patrik hörte das Blut in seinen Ohren rauschen. Dieses alte Rindviech! Er faltete krampfhaft die Hände, öffnete sie wieder und holte tief Luft. Er durfte sich jetzt nicht mit Mellberg beschäftigen, sondern musste sich auf wichtigere Dinge konzentrieren. Die
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