Meerjungfrau
könnte?«, fragte Erica sanft.
»Nein, aber das Bild muss von einem Kind gemalt worden sein. Vielleicht hat er irgendwo im Ort ein Kind, von dem ich nichts weiÃ.« Das schrille Lachen blieb ihr im Hals stecken.
»Du darfst jetzt keine voreiligen Schlüsse ziehen.« Plötzlich befürchtete Erica, alles nur noch schlimmer zu machen. Sanna war kurz davor, zusammenzubrechen.
»Natürlich habe ich mir meine Gedanken gemacht. Seit diese Briefe kommen, habe ich ihn tausendmal danach gefragt, aber er sagt immer nur, er wisse nicht, wer sie geschickt hat. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich ihm glauben soll.« Sie biss sich auf die Lippen.
»Er hat keine früheren Freundinnen oder so erwähnt? Keine Frau, die es in seinem Leben mal gegeben hat?« Erica merkte selbst, dass sie ganz schön hartnäckig zur Sache ging, aber vielleicht schlummerte in den Tiefen von Sannas Unterbewusstsein etwas, das Christian irgendwann einmal erwähnt hatte.
Sanna schüttelte den Kopf und lachte bitter. »Wenn er eine andere Frau erwähnt hätte, würde ich mich daran erinnern. Ich habe ja sogar gedacht â¦Â« Sie hielt inne und schien zu bereuen, dass sie den Satz überhaupt begonnen hatte.
»Was?«, fragte Erica, kam aber nicht mehr an Sanna heran.
»Ach, nichts. Das war nur ein dummer Gedanke. Ich habe wohl ein kleines Problem mit Eifersucht.«
Eigentlich kein Wunder, dachte Erica. Wenn man jahrelang mit einem Fremden zusammenlebt und die eigene Liebe nicht erwidert wird. Wer würde da nicht eifersüchtig werden? Sie sagte jedoch nichts, sondern lenkte das Gespräch auf das Thema, das sie seit gestern beschäftigte.
»Du hast gestern mit einer Kollegin von Patrik gesprochen. Paula Morales.«
Sanna nickte. »Sie war wahnsinnig nett. Gösta auch. Er hat mir geholfen, die Kinder sauber zu kriegen. Patrik soll ihn von mir grüÃen. Ich habe gestern ganz vergessen, mich zu bedanken.«
»Ich richte es ihm aus.« Erica machte eine kleine Pause, bevor sie fortfuhr. »In eurem Gespräch kam eine Sache vor, die Paula anscheinend nicht richtig verstanden hat.«
»Woher weiÃt du das?«, fragte Sanna verblüfft.
»Paula hat die Befragung auf Tonband aufgenommen, und Patrik hat es sich gestern Abend zu Hause angehört. Es lieà sich nicht vermeiden, dass ich es mitbekam.«
»Ach so.« Sanna schien die Notlüge zu schlucken. »Was meinst du denn â¦Â«
»Du hast Paula erzählt, Christian habe es nicht leicht gehabt. Du scheinst etwas Bestimmtes im Sinn gehabt zu haben.«
Sannas Gesichtszüge wurden hart. Sie wich Ericas Blick aus und fingerte an den Fransen der Tischdecke herum.
»Ich weià nicht, was â¦Â«
»Sanna«, bat Erica eindringlich. »Dies ist nicht der richtige Moment für Geheimnisse. Du solltest jetzt nichts verschweigen, um Christian zu schützen. Eure ganze Familie und andere Leute schweben in Gefahr, aber wir können verhindern, dass noch mehr Menschen etwas so Schlimmes zustöÃt wie Magnus. Ich weià weder, was du mir vorenthältst, noch weià ich, warum du das tust. Vielleicht hat es überhaupt nichts mit dieser Geschichte zu tun. Das glaubst du wahrscheinlich. Ansonsten hättest du etwas gesagt, davon bin ich überzeugt. Vor allem nach dem, was den Kindern gestern zugestoÃen ist. Aber kannst du dir da wirklich sicher sein?«
Sanna sah aus dem Fenster, lieà ihren Blick über die Häuser, das Eis und die Inseln schweifen und fixierte einen Punkt in der Ferne. Sie schwieg lange. Erica sagte ebenfalls kein Wort, sondern lieà sie den Kampf mit sich allein ausfechten.
»Ich habe ein blaues Kleid auf dem Dachboden gefunden. Ein blaues Kleid«, sagte Sanna schlieÃlich. Dann erzählte sie weiter. Wie sie Christian darauf angesprochen und wie zornig und verunsichert er reagiert hatte. Sie berichtete auch von den entsetzlichen Dingen, die er ihr am Ende offenbart hatte.
Als Sanna fertig war, sank sie in sich zusammen. Leer. Erica saà reglos da und versuchte zu verarbeiten, was sie gerade erfahren hatte. Aber das war unmöglich. Gewisse Dinge konnte sich das menschliche Gehirn nicht vorstellen. Sie konnte nur die Hand ausstrecken und sie behutsam auf die von Sanna legen.
Zum ersten Mal wurde Erik von Panik übermannt. Christian war tot. Wie eine Stoffpuppe baumelte er vom Sprungturm auf Badholmen.
Eine Polizistin hatte
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