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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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müssen. Niemand ging durchs Leben, ohne sein Herz an Erinnerungsstücke zu hängen.
    Sie hieb mit den Fäusten auf die Tagesdecke ein. Die Ungewissheit machte sie fast wahnsinnig. Wer war Christian überhaupt? Ihr kam ein Gedanke. Auf einmal war sie ganz ruhig. An einem Ort hatte sie noch nicht gesucht. Auf dem Dachboden.
    Erik ließ das Glas kreisen und betrachtete die dunkelrote Farbe, die zum Rand hin heller wurde. Das deutete auf einen jungen Wein hin, hatte er in einem der unzähligen Weinseminare gelernt, die er besucht hatte.
    Sein ganzes Leben brach zusammen, und er begriff nicht, wie es dazu gekommen war. Wehrlos war er einer starken Strömung ausgeliefert, die ihn mit sich fortriss.
    Magnus war tot. Da der eine Schock nahtlos in den anderen übergegangen war, wurde ihm erst jetzt klar, was Louise ihm mitgeteilt hatte. Sie hatte gehört, man habe Magnus’ Leiche gefunden. Fast gleichzeitig die Nachricht von Cecilias Schwangerschaft. Zwei Dinge, die ihn in seinen Grundfesten erschütterten, hatte er innerhalb von einer halben Minute erfahren.
    Â»Du könntest wenigstens antworten«, herrschte Louise ihn an.
    Â»Was?« Er musste irgendetwas überhört haben. »Was hast du gesagt?«
    Â»Ich habe dich gefragt, wo du warst, als ich dir die Mitteilung von Magnus’ Tod geschickt habe. Zuerst habe ich im Büro angerufen, aber da warst du nicht. Dann habe ich es mehrmals auf deinem Handy probiert, aber nur deinen Anrufbeantworter erreicht.« Sie lallte schon den ganzen Abend. Wahrscheinlich hatte sie bereits am Vormittag angefangen zu trinken.
    Ekel überkam ihn, mischte sich mit dem Wein und verlieh diesem das bittere Bouquet von Stahl. Es widerte ihn an, dass sie ihr Leben nicht mehr im Griff hatte. Wieso riss sie sich nicht zusammen, anstatt randvoll mit billigem Fusel die Märtyrerin zu spielen.
    Â»Ich hatte etwas zu erledigen.«
    Â»Erledigen?« Louise trank einen Schluck. »Das kann ich mir vorstellen.«
    Â»Hör auf«, sagte er müde. »Nicht heute. Bitte nicht.«
    Â»Warum denn nicht?«, erwiderte sie streitlustig. Er wusste, dass sie auf Ärger aus war. Die Mädchen schliefen seit einiger Zeit, und es gab nur noch sie zwei. Ihn und Louise.
    Â»Einer unserer engsten Freunde ist heute tot aufgefunden worden. Kannst du uns nicht wenigstens an so einem Abend ein bisschen Ruhe gönnen?«
    Louise verstummte. Er sah, dass sie sich schämte. Einen Augenblick lang sah er das Mädchen vor sich, das er im Studium kennengelernt hatte: süß, klug und schlagfertig. Doch das Bild verflüchtigte sich schnell, zurück blieben nur die schlaffe Haut und die Zähne, die der Wein bläulich gefärbt hatte.
    Und Cecilia? Was sollte er mit ihr machen? Soweit er wusste, war sie die erste Geliebte, die von ihm schwanger wurde. Vielleicht hatte er bislang Glück gehabt. Doch damit war es nun vorbei. Sie wolle das Kind behalten, hatte sie gesagt. Hatte ihm das eiskalt in ihrer Küche mitgeteilt. Keine Erklärungen und keine Diskussion. Sie sagte es ihm einfach, weil sie nicht anders konnte, und um ihn in die Pflicht zu nehmen, sie finanziell zu unterstützen.
    Plötzlich war sie erwachsen. Das Kichern und die Naivität waren wie weggeblasen. Er stand vor ihr und merkte, dass sie ihn zum ersten Mal durchschaute. Er wand sich wie ein Aal. Mit ihren Augen wollte er sich nicht sehen. Er wollte sich selbst überhaupt nicht sehen.
    Sein Leben lang war er wie selbstverständlich bewundert worden. Manchmal gefürchtet, aber das hatte auch etwas. Sie jedoch legte sich schützend eine Hand auf den Bauch und blickte ihn voller Verachtung an. Ihre Affäre war beendet. Sie erklärte ihm, welche Alternativen ihm zur Verfügung standen. Wenn er bis zum achtzehnten Geburtstag des Kindes monatlich eine stattliche Summe auf ihr Konto überwies, würde sie Stillschweigen über die Vaterschaft bewahren. Andernfalls würde sie Louise davon erzählen und fortan alles in ihrer Macht Stehende tun, um seinen Namen und seine Ehre in den Schmutz zu ziehen.
    Erik betrachtete seine Frau und fragte sich, ob er sich richtig entschieden hatte. Er liebte Louise nicht. Er hinterging und verletzte sie, wo er nur konnte, und er wusste genau, dass sie ohne ihn glücklicher gewesen wäre. Aber die Macht der Gewohnheit war groß. Berge von dreckigem Geschirr und Schmutzwäsche in einer Junggesellenwohnung erschienen ihm

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