Meerjungfrau
hängemattenartiges Gestell, das mit Frotté bespannt war. Darin konnte sie fast sitzen. Zärtlich wusch er ihr die Arme, die Beine, den dicken Bauch. Sie strampelte mit Händen und FüÃen. Sie schrie nicht mehr, endlich schrie sie nicht mehr, aber das spielte keine Rolle. Sie hatte gewonnen. Selbst Vater hatte sich aus seinem Refugium hinter der Zeitung gewagt, um sie anzustrahlen.
Ganz still stand er in der Tür und konnte den Blick nicht von Vaters Händen abwenden, die sich langsam über den kleinen Kinderkörper bewegten. Ausgerechnet Vater, der für ihn zumindest eine Art von Vertrauter gewesen war, seitdem Mutter ihn nicht mehr sehen wollte. Plötzlich klingelte es. Er zuckte zusammen. Unschlüssig blickte Vater zwischen der Badezimmertür und Alice hin und her. SchlieÃlich sagte er: »Kannst du kurz auf deine kleine Schwester aufpassen? Ich will nur nachsehen, wer es ist. Bin gleich wieder da.«
Einen Augenblick zögerte er. Dann spürte er, wie sein Kopf nickte. Vater erhob sich aus der Hocke und winkte ihn zur Badewanne heran. Wie von allein bewegten seine FüÃe sich vorwärts. Alice blickte zu ihm auf. Aus dem Augenwinkel sah er Vater das Badezimmer verlassen.
Nun waren sie allein. Alice und er.
E rica starrte Patrik entsetzt an.
»Unterm Eis?«
»Ja. Der Ãrmste, der ihn entdeckt hat, muss unter Schock stehen.« Patrik hatte ihr die Ereignisse des Tages kurz geschildert.
»Kann ich mir vorstellen!« Schwerfällig sackte sie aufs Sofa. Maja versuchte sofort, auf ihren Schoà zu klettern, was allerdings nicht so einfach war.
»Hallo ⦠hallo!«, brüllte Maja die Bauchdecke an. Seit sie wusste, dass die Babys sie hören konnten, nahm sie bei jeder Gelegenheit Kontakt zu ihnen auf. Da ihr Wortschatz bislang, gelinde gesagt, begrenzt war, fielen die Gespräche meist etwas eintönig aus.
»Weck sie nicht, sie schlafen bestimmt.« Erica hielt sich den Zeigefinger an die Lippen und machte: »Pscht.«
Maja ahmte die Geste nach und horchte am Bauch, ob die Babys wirklich schliefen.
»Es muss ein schrecklicher Tag gewesen sein«, murmelte Erica.
»Ja.« Patrik versuchte, die Gesichter von Cia und den Kindern zu verdrängen. Besonders die Augen von Ludvig, die denen von Magnus so ähnlich waren, würde er noch lange vor sich sehen. »Wenigstens wissen sie jetzt Bescheid. Wahrscheinlich ist die Ungewissheit manchmal noch schlimmer.« Er setzte sich neben Erica, so dass Maja zwischen ihnen landete. Fröhlich hopste sie auf seine Oberschenkel, die etwas mehr Platz boten, und schmiegte das Gesicht an seine Brust. Er strich ihr über das blonde Köpfchen.
»Wahrscheinlich hast du recht. Andererseits ist es hart, wenn man das letzte bisschen Hoffnung verliert.« Sie zögerte. »Habt ihr eine Ahnung, was passiert sein könnte?«
Patrik schüttelte den Kopf. »Bis jetzt wissen wir überhaupt nichts.«
»Und die Briefe an Christian?«, bohrte sie weiter. Sie kämpfte mit sich. Sollte sie von ihrem Besuch in der Bibliothek und ihren Ãberlegungen zu Christians Vergangenheit erzählen? Solange sie so wenig in der Hand hatte, lieà sie es lieber bleiben.
»Ich hatte immer noch keine Zeit, mich darum zu kümmern, aber wir werden uns auf jeden Fall ein weiteres Mal mit Magnusâ Familie und Freunden unterhalten, und dann spreche ich Christian darauf an.«
»Sie haben ihn heute Morgen im Frühstücksfernsehen danach gefragt.« Erica schauderte bei dem Gedanken, dass sie ihr Teil zu dem, was Christian in der Live-Sendung durchgemacht hatte, beigesteuert hatte.
»Was hat er geantwortet?«
»Er wollte die Sache kleinreden, aber man merkte, unter welchem Druck er steht.«
»Kein Wunder.« Patrik küsste seine Tochter auf die Stirn. »Was meinst du? Sollen wir Mama und den Babys etwas zu essen machen?« Er stand auf und nahm Maja auf den Arm. Sie nickte eifrig. »Was wollen wir kochen? Kackwurst mit Zwiebeln?«
Maja bekam vor Lachen einen Schluckauf. Sie war weit für ihr Alter und hatte kürzlich den Spaà an Pipi- und Kackewitzen entdeckt.
»Nee«, erwiderte Patrik. »Wir machen lieber Fischstäbchen mit Kartoffelbrei und heben die Kackwürste für später auf, was?«
Seine Tochter überlegte eine Weile. Dann nickte sie gnädig. Mit Fischstäbchen konnte sie leben.
Sanna ging rastlos auf und ab.
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