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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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dass der Wagen hinter ihm ebenfalls stehen geblieben war. Jetzt hätte er weiterfahren müssen. Weg von dem Licht in seinem Spiegel.
    Hinter ihm ging eine Tür auf, und jemand stieg aus. Wer kam da auf ihn zu? Es war so dunkel draußen, dass er bloß sah, wie sich ein geschlechtsloses Wesen näherte. Nur noch wenige Schritte, und die dunkle Gestalt hatte seine Tür erreicht.
    Die Hände am Lenkrad fingen an zu zittern. Er wandte den Blick vom Rückspiegel ab und starrte übers Feld und zum Waldrand, den man ein Stück entfernt vage erkennen konnte. Er starrte und wartete. Die Beifahrertür wurde geöffnet.
    Â»Wie geht es Ihnen? Sind Sie okay? Sie scheinen das Tier nicht überfahren zu haben.«
    Christian drehte sich zu der Stimme um. Vor ihm stand ein weißhaariger Mann um die sechzig und sah ihn an.
    Â»Alles in Ordnung«, murmelte Christian. »Ich habe nur einen Schreck bekommen.«
    Â»Ja, es ist unheimlich, wenn einem etwas vors Auto läuft. Sind Sie sicher, dass es Ihnen gutgeht?«
    Â»Absolut. Ich fahre jetzt nach Hause. Bin auf dem Weg nach Fjällbacka.«
    Â»Ach so. Ich will nach Hamburgsund. Fahren Sie vorsichtig.«
    Der Mann machte die Tür zu. Christians Puls normalisierte sich wieder. Das waren nur Gespenster, Bilder aus der Vergangenheit. Nichts, was ihm etwas anhaben konnte.
    Eine leise Stimme in seinem Kopf wollte über die Briefe sprechen. Die waren nicht seiner Phantasie entsprungen. Er verschloss sich jedoch und hörte nicht hin. Sobald er anfing, sich darüber Gedanken zu machen, gewann die Stimme wieder die Oberhand. Das durfte er nicht zulassen. Er hatte so hart daran gearbeitet zu vergessen. Die Stimme durfte nicht wieder an ihn herankommen.
    Er fuhr weiter nach Fjällbacka. In der Jackentasche brummte das Handy.

A lice schrie immer weiter, Tag und Nacht. Er hörte Mutter und Vater darüber sprechen. Sie litt an etwas, das sich Kolik nannte. Aber dieser ständige Lärm, worauf auch immer er beruhte, war unerträglich. Er brachte sein ganzes Leben durcheinander und machte alles kaputt.
    Warum hasste Mutter sie nicht wegen des Gebrülls? Warum trug sie sie herum, sang für sie, tröstete sie zärtlich und sah sie mit so sanftem Blick an, als hätte sie Mitleid mit ihr?
    Alice hatte kein Mitgefühl verdient. Sie machte das mit Absicht. Davon war er überzeugt. Manchmal, wenn er sich über ihre Wiege beugte und dieses Mädchen beobachtete, das ihn an einen hässlichen kleinen Käfer erinnerte, erwiderte es seinen Blick. Seine Augen schienen zu sagen, dass Mutter ihn nicht lieben sollte. Deswegen schrie es so viel und verlangte Mutter alles ab. Damit für ihn nichts übrigblieb.
    Manchmal merkte er, dass Vater es ähnlich empfand und wusste, dass Alice es mit Absicht machte. Damit auch er nichts mehr von Mutter hatte. Trotzdem unternahm er nichts dagegen. Warum nicht? Er war doch groß, ein Erwachsener. Er hätte mühelos dafür sorgen können, dass Alice endlich still war.
    Vater durfte das Baby ebenfalls kaum anfassen. Manchmal nahm er es hilflos auf den Arm und klopfte ihm auf Po und Rücken, um es zu beruhigen. Aber Mutter sagte immer, er mache alles falsch und solle Alice lieber ihr überlassen. Dann zog er sich wieder zurück.
    Eines Tages sollte Vater sich trotzdem um sie kümmern. Alice hatte noch mehr gebrüllt als sonst, und zwar drei Tage hintereinander. Er selbst hatte in seinem Zimmer wach gelegen und sich das Kopfkissen auf den Kopf gepresst, um den Krach nicht zu hören. Unter dem Kissen war der Hass gewachsen. Er breitete sich in ihm aus und bedrängte ihn so, dass er kaum noch atmen konnte und das Kissen anheben musste, um Luft zu bekommen. Mutter war jetzt müde. Auch sie war drei Nächte lang wach gewesen. Also hatte sie das Baby ausnahmsweise Vater überlassen und sich hingelegt. Vater hatte beschlossen, das Baby zu baden. Er fragte ihn, ob er zusehen wolle.
    Sorgfältig kontrollierte Vater die Wassertemperatur und betrachtete Alice, die ausnahmsweise still war, mit dem gleichen Blick wie Mutter. Nie zuvor war Vater wichtig gewesen. Er war eine unsichtbare Figur, in Mutters Strahlenglanz verschwunden und von Alices und Mutters Gemeinschaft ebenfalls ausgeschlossen. Doch als er Alice anlächelte und sie sein Lächeln erwiderte, bekam er Bedeutung.
    Vorsichtig tauchte Vater den nackten kleinen Körper ins Wasser. Er legte Alice in ein

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