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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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immer den Kopf. Tränen liefen ihr die Wangen hinunter, und er wusste, dass Vater wieder nachgeben würde. Vater drehte sich zu ihm um und warf ihm einen Blick zu. Er lächelte fragend zurück. Was meinte er? Das Lächeln war wohl ein Fehler gewesen, denn Vater runzelte die Stirn. Offenbar sollte er ein anderes Gesicht machen.
    Er konnte auch nicht verstehen, wieso Mutter und Vater so besorgt und traurig aussahen. Alice war doch jetzt ruhig und lieb. Mutter brauchte sie nicht die ganze Zeit herumzuschleppen, weil sie friedlich liegen blieb, wo man sie hinlegte. Trotzdem waren Mutter und Vater nicht zufrieden. Und obwohl es nun auch Platz für ihn gab, behandelten sie ihn wie Luft. Dass Vater sich so verhielt, machte ihm eigentlich nicht viel aus, auf ihn kam es nicht an. Aber Mutter nahm ihn auch nicht wahr, und wenn sie es doch tat, sah sie ihn voller Ekel und Abscheu an.
    Denn er konnte einfach nicht mehr aufhören. Immer wieder musste er die Gabel zum Mund führen, kauen, schlucken, sich noch mehr nehmen und spüren, wie der Körper sich füllte. Mutters hübscher Junge war er nicht mehr. Aber er war da. Und er war nicht zu übersehen.
    A ls er nach Hause kam, war es still. Lisbet schlief bestimmt. Er überlegte, ob er zuerst einen Blick in ihr Zimmer werfen sollte, wollte aber nicht riskieren, sie zu wecken. Vielleicht war sie gerade eingeschlafen. Besser sah er nach ihr, kurz bevor er ging. Jede Minute Schlaf war kostbar.
    Kenneth blieb einen Moment lang im Flur stehen. Bald würde er mit dieser Stille leben müssen. Natürlich war er schon allein im Haus gewesen. Als Lisbet noch arbeitete, hatte sie abends oft Überstunden gemacht. Doch es war eine andere Stille gewesen, wenn er vor ihr nach Hause kam. Sie enthielt ein Versprechen und deutete erwartungsvoll auf den Augenblick hin, in dem die Haustür aufging.
    Â»Ich bin da, Liebling.«
    Nie wieder würde er diese Worte hören. Lisbet würde das Haus verlassen und nicht zurückkehren.
    Plötzlich wurde er von seiner Trauer überwältigt. Es hatte ihn so viel Kraft gekostet, sich nicht von ihr beherrschen zu lassen und ihr nicht vorzugreifen. Nun brachen die Dämme. Er lehnte die Stirn an die Wand und spürte die Tränen kommen. Er ließ sie laufen. Lautlos tropften sie auf den Fußboden. Zum ersten Mal wagte er, sich vorzustellen, wie es ohne Lisbet sein würde. In vieler Hinsicht war er ja bereits allein. Die Liebe war noch genauso groß wie früher, aber anders. Denn die Lisbet, die im Gästezimmer im Bett lag, war nur ein Schatten der Frau, die er liebte. Die war nicht mehr da, und um die trauerte er.
    Lange lehnte er mit der Stirn an der Wand. Nach einer Weile flossen weniger Tränen. Als keine mehr kamen, atmete er tief ein, hob den Kopf und wischte sich die feuchten Wangen mit dem Handrücken ab. Nun musste es gut sein. Mehr konnte er sich nicht erlauben.
    Er ging ins Arbeitszimmer. Die Briefe lagen in der obersten Schublade. Sein erster Impuls war damals gewesen, sie nicht zu beachten und wegzuwerfen, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Nachdem nun in der vergangenen Nacht der vierte Brief aufgetaucht war, war Kenneth froh, dass er die anderen behalten hatte. Denn nun hatte er verstanden, dass er sie ernst nehmen musste. Irgendjemand wollte ihm etwas antun.
    Seine Angst, Lisbet bei ihrem ruhigen Warten auf den Tod zu stören, hätte ihn nicht davon abhalten dürfen, die Briefe sofort der Polizei zu übergeben. Das wusste er. Er hätte seine Frau beschützen müssen, indem er die Sache ernst nahm. Zum Glück hatte er das rechtzeitig eingesehen, zum Glück hatte Erik ihm das bewusst gemacht. Er hätte es sich nie verziehen, wenn wegen seiner üblichen Passivität etwas passiert wäre.
    Mit zitternden Händen griff er nach den Umschlägen, schlich durch den Flur in die Küche und legte sie in einen gewöhnlichen Gefrierbeutel. Er überlegte, ob er nicht einfach wieder gehen sollte, ohne Lisbet zu wecken. Aber er musste sie einfach anschauen. Sich davon überzeugen, dass alles in Ordnung war, ihr hoffentlich friedliches Gesicht sehen.
    Vorsichtig öffnete er die Tür zum Gästezimmer. Sie glitt lautlos auf, und er konnte immer mehr von Lisbet erkennen. Sie schlief. Die Augen waren geschlossen, und er nahm jeden ihrer Züge, jeden Teil ihres Gesichts in sich auf. Es war mager und die Haut ausgetrocknet, aber seine Frau war immer noch

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