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Meg Finn und die Liste der vier Wünsche

Meg Finn und die Liste der vier Wünsche

Titel: Meg Finn und die Liste der vier Wünsche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin Colfer
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die ganzen Degenszenen nachgespielt habe. Na ja, damals war ich noch ein junger Bursche.«
    Meg kicherte. »Sie als Held mit Degen? Ich fasse es nicht.«
    »Ich kann’s ja selbst kaum glauben. Vielleicht erfindet mein altes Gehirn ein bisschen was dazu. Jedenfalls war es ein wunderbarer Abend. Einfach perfekt. So was erlebt man nicht jeden Tag. Vielleicht fünf- oder sechsmal im Leben. Ich sehe sie noch vor mir, mit ihrem roten Haar, das sich hinter den Ohren ringelte. Das war damals groß in Mode.«
    »Ja«, murmelte Meg gelangweilt, »genau wie Plumpsklos.« Doch Lowrie war zu sehr in Gedanken versunken, um sich von solchen neunmalklugen Bemerkungen stören zu lassen. Seine Erinnerungen schwebten in schillernden Farben aus ihm heraus, und malten verschwommene Bilder in die Luft. »Ein vollkommener Tag …«
    »Aber?«
    »Aber ich habe ihn ruiniert. Wie immer.«
    »Was? So, wie Sie es beschrieben haben, hätten Sie sie doch nur nach Hause begleiten müssen, ihr einen Gutenachtkuss geben und –«
    »Ich habe sie nie geküsst.«
    »Sie Dummkopf.«
    Kläglich schüttelte Lowrie den spärlich behaarten Kopf. »Ich weiß. Glaubst du vielleicht, das wäre mir nicht bewusst? Tag für Tag könnte ich mich dafür ohrfeigen. Und alles nur wegen meiner Hände.«
    »Wieso, was war damit?«
    »Sie waren schwitzig. Richtig schlimm. Nass wie zwei Lilien im Teich. Ich hab mich nicht getraut, sie ihr um die Taille zu legen. Blöd, ich weiß. Saublöd.«
    Seine Geistergefährtin widersprach ihm nicht.
    »Ich dachte, wenn sie meine riesigen, klatschnassen Pfoten spürt, habe ich bei ihr verspielt. Morgen, dachte ich, morgen, wenn es kühler ist und meine Hände trocken. Also ließ ich es sein und ging nach Hause.«
    »Und dann haben Sie sie nie wiedergesehen?«
    Der alte Mann lächelte freudlos. »O doch, das habe ich. Vier Jahre lang sah ich sie jeden Tag. Ich sah erst die Verletzung in ihren Augen und dann die Kälte. Ich sah zu, wie sie meinen Jugendfreund heiratete. Und ich musste dastehen und lächeln und den Ring übergeben, als wäre ich der glücklichste Trauzeuge der Welt.«
    »Wenn das alles passiert ist, als Sie jung waren, muss diese Sissy inzwischen ganz schön alt sein. Wann haben Sie sie denn zuletzt gesehen?«
    Lowrie kratzte sich das stoppelige Kinn. »Persönlich? Gute Frage. Das dürfte gut vierzig Jahre her sein.«
    Meg schoss wieder aus dem Sitz hoch. »Vierzig Jahre! Sie könnte längst tot sein oder in einem Heim leben oder sonst was.«
    »O nein. Sissy lebt, das weiß ich.«
    »Wie können Sie da so sicher sein? Ihr Gehirn war nicht gerade im besten Zustand, als ich gestern mit da drin war.«
    Lowrie sprach sehr bestimmt. »Weil Sissys richtiger Name seit ihrer Heirat Cicely Ward ist. Und den dürfte selbst ein ungebildeter Nichtsnutz wie du kennen.«
    Fassungslos sank Meg zurück in die Polster des Zugsitzes.
    » Die Cicely Ward?«
    »Ja, die Cicely Ward. Sie war nicht immer die, die sie jetzt ist, weißt du, sie war auch mal sie selbst.«
    Das konnte Meg sehr gut nachvollziehen. »Sie wollen mir also allen Ernstes erzählen, dass Sie die Chance hatten, Irlands beliebteste Fernsehoma zu heiraten, und dass Sie es vermasselt haben?«
    Lowrie pochte sich mit den Fingerknöcheln gegen den Schädel. »Genau. Du hast es erfasst.«
    Meg stieß einen Pfiff aus. »Donnerwetter, das nenne ich Pech. Und ich dachte, mein Leben wäre beschissen.«
    »Immerhin bin ich noch am Leben.«
    »Nicht mehr lange.«
    Lowrie riss sich zusammen. Seine Erinnerungen wirbelten zurück in sein Gesicht wie Farbe in einen Ausguss. »Ganz recht. Nicht mehr lange. Also tu einfach, was ich dir sage, dann brauchen wir uns auch nicht weiter zu unterhalten.«
    »Aber …«
    »Kein Aber. Du bist doch nur hier, weil du musst. Wenn’s nach dir ginge, wärst du längst im Himmel und würdest jemandem das Schloss ausrauben.« Und damit zog Lowrie sich die Kappe über die Augen und gönnte sich ein Nickerchen.
    Schon wieder schlafen? Meg war sprachlos. Nach all der Schnarcherei letzte Nacht. Wie konnte jemand, der nur noch ein halbes Jahr zu leben hatte, bloß so viel davon verschlafen? Wütend reckte sie die Faust gen Himmel. Besten Dank auch. Meine letzte Chance, gerettet zu werden, und ihr schickt mich ausgerechnet zu dem einen Kerl, der mich noch mehr hasst als Franco.
    Lowrie schnarchte noch immer geräuschvoll mit offenem Mund, als der Zug in der Heuston Station einfuhr. Meg hatte allmählich genug davon, seine Plomben anzustarren. Die

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