Meg Finn und die Liste der vier Wünsche
mir der Magen. Franco!
Ich rannte die Treppe runter, wobei ich vor lauter Hast gegen die Wand taumelte. Franco war wie immer in eine Rauchwolke gehüllt.
»Wo ist er?«, brüllte ich voller Panik.
Franco wandte den Blick nicht vom Bildschirm. »Wo ist wer?«, fragte er, verärgert, dass ich ihn beim Fernsehen störte.
»Der Ring!«, rief ich und zeigte auf meinen Finger. »Der Ring von meiner Mam.«
Seelenruhig kaute Franco auf dem Filter seiner Zigarette herum. »Oh, der Diamantring. Meinst du den?«
»Ja!« Fast überschlug sich meine Stimme. »Genau den.«
Franco drückte den Stummel in seinem überquellenden Aschenbecher aus. »Nun, du weißt ja sicher, dass deine Mutter mir den Ring vermacht hat.«
Ich konnte ihm nicht einmal widersprechen. Meine Stimme hatte mich im Stich gelassen.
»Also habe ich ihn verkauft.«
Ein ganz einfacher Satz. Und doch wollte ich ihn nicht begreifen. »Du hast ihn verkauft?«
Franco nickte träge. »Ja, du dumme Gans. Ich habe ihn verkauft. Was dachtest du denn? Dass du ihn ewig in deinem Karton verstecken könntest?«
»Aber«, stammelte ich. »Aber …«
»Aber, aber«, spottete Franco. »Du klingst wie einer von diesen Rappern. Hör zu, ich hab den Ring verkauft, und damit basta. Heul, so viel du willst, aber geh mir aus dem Weg. Du verdeckst meinen neuen Fernseher.«
Mir streikte das Gehirn. Ich weiß noch, dass ich versuchte, die Information, die mir in den Ohren klingelte, zu verarbeiten, aber sie entwischte mir immer wieder. Eins blieb allerdings hängen. Neuer Fernseher.
Da stand er, mitten im Wohnzimmer, und schickte das flimmernde Licht seines Bildschirms durch den Nebel aus Zigarettenrauch. Mattschwarz und drohend.
»Tolles Ding, nicht?«, sagte Franco provozierend. »Mit Dolby Stereo und Videotext. Nagelneues Modell. Das Beste vom Besten.«
Ich fühlte mich, als hätte mir ’ne Dampfmaschine den Kopf platt gewalzt, wie im Zeichentrickfilm. Dafür war Mams Ring draufgegangen? »Der Ring war alles, was ich noch hatte«, sagte ich und kämpfte mit zusammengebissenen Zähnen gegen die Tränen an. »Alles, was mir geblieben ist.«
»Ja, ja, von mir aus«, sagte Franco und wedelte mich beiseite.
»Und du hast ihn verkauft. Für das Ding da.«
»Endlich. Sie hat’s kapiert!« Franco lachte. Es klang wie ein Frosch in einem Fass. »Du bist doch sonst nicht so schwer von Begriff.«
Der Fernseher glotzte mich an mit seinem Flachbildschirm und den Stereolautsprechern. Es war das erste und einzige Mal, dass ich ein Ding hasste. Also stürzte ich mich darauf – beziehungsweise ich versuchte es. Bevor ich jedoch ernsthaften Schaden anrichten konnte, hatte Franco mich am Kragen gepackt und gegen die Wand gedrückt. Unglaublich, wie schnell er sich bewegt hatte.
»Das läuft nicht, Fräulein«, sagte er und starrte mich mit drohend zusammengekniffenen Augen an.
»Dazu hattest du kein Recht«, fauchte ich und wand mich, um seinem stinkenden Atem zu entgehen.
Franco lachte. »Kein Recht? Ich erzähl dir jetzt mal was von wegen Rechten. Du stehst unter meiner Aufsicht, also bist du diejenige, die keine Rechte hat. Du bist noch ein Kind und eine berüchtigte Unruhestifterin obendrein. Ein Nichts. Weniger als nichts. Die Leute haben Mitleid mit mir. Der arme Mann, sagen sie. Versucht, die freche Göre allein großzuziehen. Er ist ein Heiliger. Ein Märtyrer.«
Ich machte Mund und Augen zu. Versuchte, alles abzublocken.
»Deine Mutter ist tot, Fräulein. Tot! Also hör auf so zu tun, als wär alles noch wie vorher. Das ist jetzt mein Haus, Fräulein, und von nun an ist Schluss mit der verwöhnten kleinen Prinzessin. Du tust, was ich dir sage und wenn ich es sage. Du wirst deine Arbeit machen und mir Respekt erweisen. Wenn nicht, werd ich dir zeigen, wer der Herr im Hause ist, genau wie deiner Mutter! Die mit ihrem albernen Jasminparfüm.« Genau wie deiner Mutter? Er hatte Mam geschlagen?
»Du Schwein!«, schluchzte ich. »Dich krieg ich noch, dich und deine blöde Kiste!«
Franco erstarrte. Ich hatte den Fernseher bedroht.
»Manche Leute kapieren’s nur auf eine Weise«, sagte er und verpasste mir eine Ohrfeige. Mit voller Kraft. Ich glitt an der Wand hinunter zu Boden. Ich fühlte mich, als hätte ich ein Brandzeichen aufgedrückt bekommen.
»Wag es ja nicht, den Fernseher anzurühren«, brüllte er und beugte sich zu mir, um mich erneut zu schlagen. »Ich prügel dich win-del-weich!«
Jede Silbe wurde von einer weiteren Ohrfeige unterstrichen. Ich wollte
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