Mehr als ein Sommer
Erinnerung — zusammen mit den Erinnerungen an all die anderen Menschen, die es je in seinem Leben gegeben hatte.
Durch das überfüllte Café bahnte Angela sich ihren Weg zu ihm, und ihr Gesicht glühte von der Kälte draußen. Das blonde Haar war unter einer Wollmütze hochgesteckt, den ramponierten Aktenkoffer hielt sie unter dem Arm. Aus irgendeinem Grund war er stärker als sonst bestrebt gewesen, sich mit ihr zu treffen, und hatte sie noch am gleichen Tag angerufen, an dem er zu Hause angekommen war. Sie war jedoch mit einem Fall beschäftigt gewesen, sodass sie über eine Woche gebraucht hatten, um dieses kurze Treffen auf eine Tasse Kaffee zu arrangieren.
»Hi.« Angela ließ sich auf den Stuhl fallen, der seinem gegenüberstand.
Sie schien glücklich zu sein, ihn zu sehen. Er verspürte einen ungemeinen Drang, sich über den Tisch zu beugen und sie zu küssen, aber so etwas zu tun, wäre ungewöhnlich gewesen, zumindest ungewöhnlich für sie. Er lächelte träge zurück und fragte: »Wie geht es dir?«
»Viel zu viel zu tun.« Sie befreite sich aus ihrem Mantel. »Ich habe so viel Arbeit, dass ich fast den Überblick verliere. Aber hey, schön, dich zu sehen.« Sie bestellte bei der Kellnerin einen Kaffee und lehnte sich zurück. »Wie war deine Reise?«
»Wild.«
»Wild? Passt gar nicht zu dir.« Sie zeigte auf das Stück Karrottenkuchen, das vor Trevor auf dem Tisch stand. »Darf ich?« Als er nickte, schabte sie mit dem Löffel eine Ecke ab und steckte das Stückchen in den Mund, an ihrem Mundwinkel blieb ein bisschen von der Käsecremeglasur hängen.
Trevor wollte sich Vorbeugen und es wegwischen, eigentlich hätte er es am liebsten heruntergeleckt, stattdessen zeigte er auf seinen eigenen Mundwinkel. »Glasur.«
»Oh, danke.« Angela leckte sich den weißen Schmier mit der Zungenspitze herunter, ein Akt, der Trevors Blut leicht in Wallung brachte. »Also, wirst du mir erzählen, was wild bedeutet?«
»Es war in Wahrheit gar nicht so wild. Nur ein unerwarteter Zwischenstopp in Kairo.«
»Hast du dir irgendetwas Interessantes angesehen?«
»Die Pyramiden«, antwortete er, während ihm plötzlich ein Bild vor Augen stand: Constance auf der Cheops-Pyramide. Es war das erste Mal, dass er an sie dachte, seit er wieder zu Hause war. »Und das Museum, mehr nicht.«
»Hört sich für meine Ohren nicht unbedingt wild an.«
»Ich bin von einer alten Frau gelöchert worden, die mich einfach nicht in Ruhe lassen wollte«, sagte er. »Und in dem Museum hatten sie einen Gott mit einem Hundekopf und dem Körper eines Mannes, der dein Herz wiegt, wenn du stirbst, um festzustellen, ob du dich für den Himmel qualifiziert hast.«
»Bizarr.« Angela nippte an ihrem Kaffee. »Ich mag diesen ganzen Kram, weißt du, diese Rituale und diese sonderbaren übermenschlichen Wesen.«
»Nun, Kairo hättest du nicht gemocht«, sagte er. »Dreckig, überall bewaffnete Soldaten und Leute, die versuchen, dich über den Tisch zu ziehen.«
»Vielleicht doch«, erwiderte sie. »Aber da komme ich ja eh nie hin bei all der Arbeit, die ich habe.« Sie schaute auf ihre Armbanduhr. »Scheiße, ich habe in fünfzehn Minuten eine Besprechung. Tut mir leid, ich muss los.«
»Jetzt schon?« Trevor fühlte sich bei dem Gedanken, dass sie schon wieder ging, auf sonderbare Weise unbefriedigt. »Willst du später vorbeikommen?«
Sie war schon dabei, ihren Mantel wieder anzuziehen, hatte den Kaffee nur halb getrunken. »Ich glaube nicht, dass ich das die nächste Zeit hinkriege.« Sie setzte ihre Mütze auf. Ein paar dünne Haarsträhnen ragten unten heraus wie eine Handvoll Stroh. Sie streifte sich ein Paar wuchtige Handschuhe über, die aussahen, als seien sie selbst gemacht. »Ich rufe dich am Wochenende an, aber verlass dich auf nichts.« Sie warf einen Geldschein auf den Tisch, neigte den Kopf und sah ihn eingehend an. »Du siehst aber gut aus, muss ich sagen, irgendwie... entspannt oder so.«
Trevor blieb sitzen, und sie verschwand durch die Tür. Er wollte aufstehen und ihr nachlaufen, wollte, dass sie den Tag miteinander verbrachten, aber auch damit hätte er gegen die Regeln verstoßen, gegen ihre Absprache. Er hatte vor ihr andere Freundinnen gehabt, nie länger als ein paar Monate, und er hatte jedes Mal den Fehler begangen, zu schnell eine feste Beziehung daraus machen zu wollen. Jede der Verbindungen hatte für ihn mit Liebeskummer geendet, während die jeweilige Frau das Ende offenbar als Erleichterung empfunden
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