Mehr als ein Sommer
hatte. Als er Angela begegnet war, schien sie ebenso wie er äußerst bedacht auf eine lockere Beziehung zu sein.
Trevor legte noch ein wenig Kleingeld zu dem Schein, der auf dem Tisch lag, und ging zu seinem Wagen. Die Straßen waren vereist und spiegelglatt, der Wind so kalt, dass er sich schützend die Hände über die Ohren legen musste. Bis jetzt hatte ihr Arrangement gut funktioniert. Er wollte nichts versauen. Als er den Motor anließ, übertrug das Autoradio eine Wiederholung des Eishockey-Spiels von der vergangenen Woche; er drehte die Lautstärke hoch und lauschte auf dem ganzen Weg nach Hause zu seiner leeren Wohnung.
Trevors Leben verlief bald wieder nach vertraut bequemem Muster. Arbeit, Sport, Hockey Night in Canada und gelegentlich ein Abend mit Angela. Wenn keine Geschäftsreisen anstanden, hielt er sich in der Firma da auf, wo die Inlandsverkäufe abgewickelt wurden, wie er es schon seit fünfzehn Jahren tat, seit er von Regina hergezogen war und die Geschäftsstelle gewechselt hatte. Sein Aufstieg vom Hausmeister und Laufburschen zum Verkäufer und seine Versetzung nach Calgary hatten jeden überrascht, nicht zuletzt ihn selbst, der kurz vor dem Abitur bei Forrester den Sommerjob als Hausmeister angenommen hatte und sieben Jahre später immer noch dort arbeitete. Nachdem man ihn hin und wieder gebeten hatte, auf der Etage mit den Verkaufsräumen auszuhelfen, stellte sich heraus, dass er über ein Verkaufstalent verfügte, das bisher im Verborgenen geschlummert hatte. Es dauerte nicht lang, und er konnte die technischen Daten von einem Dutzend Traktormodellen herunterrattern: Motorleistung, Hubraum, Getriebe, Zugmodus, Zugleistung, Reifenprofil; und all das, obwohl sich die Mechaniker in der Firma alle weiterhin darüber lustig machten, dass Trevor nicht einmal in der Lage war, auch nur eine Zündkerze auszuwechseln. Als die Stelle für die Internationalen Verkäufe in Calgary vakant geworden war, hatte der Firmenmanager ihn dazu überredet, sie anzunehmen. Trevor hatte Zweifel gehegt wegen der vielen Reisen und der damit einhergehenden Unterbrechungen seiner Routine, doch die Gehaltserhöhung und die verbesserten Sozialleistungen waren zu verlockend. Er stellte fest, dass er, wenn er seine Reisen effizient plante, immer noch die meiste Zeit zu Hause sein konnte.
Anfang März kehrte Trevor von einer anstrengenden Reise nach Südamerika zurück und fand einen Luftpostumschlag, der zusammen mit einem Stapel Rechnungen und Werbesendungen durch den engen Schlitz des Metallbriefkastens in der Eingangshalle seines Wohnhauses gedrückt worden war. Er warf den Haufen Post auf seinen Schreibtisch, duschte und ging zu Bett. Er schlief bis Mittag und joggte dann eine Stunde am Fluss entlang, sodass er sich erst nach dem Abendessen mit einem Glas Wein an seinen Schreibtisch setzte, während im Fernsehen die Lokalnachrichten liefen. Vor ihm tat sich das Wochenende auf. Jede Menge Eishockey. Die Entscheidung um den Stanley Cup stand an: Heute Nacht spielte Calgary gegen Edmonton. Vielleicht würde er Angela auf einen Drink einladen, vorausgesetzt, das Spiel ging nicht in die Verlängerung.
Er sah durch den Stapel Post, bis er den Briefumschlag fand, auf dem seine Adresse in Handschrift stand und eine Briefmarke aus Nairobi klebte, die am fünfzehnten Februar abgestempelt worden war — vor bald einem Monat — , kein Absender. Er begutachtete den Umschlag, verwirrt, weil der Brief einen so persönlichen Eindruck machte. Kunden kontaktierten ihn niemals zu Hause; er weigerte sich, Geschäftspartnern seine privaten Kontaktdaten zu geben. Die Arbeit blieb im Büro. So wollte er das. Ein persönlicher Brief, der an ihn adressiert war, kam mehr als selten vor; so etwas wie das hier hatte es noch nie gegeben.
Er schnitt den Umschlag mit einem Brieföffner auf. Drei Dinge fielen auf den Schreibtisch: zwei Fotos und ein zusammengefaltetes, zartes Blatt Papier. Ein Hauch von Parfüm wehte ihn zurück auf den Flughafen von Nairobi, hinein in die übermäßige Hitze der aufgehenden Sonne, den Lärm der Menschen, die überfüllten Busse, den Rosenduft, der zusammen mit einem Lippenstiftfleck auf seiner Wange klebte. Mitten hinein in den Moment, da Constance in das Taxi stieg und das von Tränen benetzte Taschentuch aus dem Fenster herausflatterte, als sie sich auf den Weg machte zum Jacaranda Hotel und — wie er gedacht hatte — auf den Weg heraus aus seinem Leben. Er konnte nicht anders, er musste lächeln. Er hatte
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