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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Eriksson
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zugelaufen, eine uralte Diesel-Klapperkiste, die vollgepackt war mit Kisten und Hühnern. Er hätte schwören können, im Inneren eine Ziege meckern zu hören. Schwarze Gesichter mit dunklen Augen hatten an den Fenstern geklebt; Menschen hatten im Schneidersitz auf dem Wagendach gesessen, auf den Stoßstangen balanciert und halb aus der Tür herausgehangen. Er hatte sie aufgehalten, ein Taxi herbeigewunken und dann dagestanden, unsicher, mit gehobener Hand, als ihr Taxi hinausgedonnert war in den afrikanischen Morgen — mit einem dicke Abgaswolken speienden Auspuff.
    Trevor zog seinen Sicherheitsgurt fest und umklammerte die Armstützen, da das Flugzeug mit dem Landeanflug auf den Flughafen von Calgary begann. Die zerklüftete Silhouette der Rocky Mountains erstreckte sich am westlichen Horizont. Das Gefühl der Einsamkeit, das an ihm nagte, seit sie sich voneinander verabschiedet hatten, hätte eigentlich in der Zwischenzeit im umhüllenden Falz der Zeit verschwunden sein müssen, doch fragte er sich unentwegt, wo Constance jetzt wohl gerade sein mochte. Er erinnerte sich an die letzten Worte, die sie zu ihm gesagt hatte. Als sie in das Taxi geglitten war, hatte er ein unbeholfenes »Passen Sie gut auf sich auf« über die Lippen gebracht. Sie hatte sich aus dem Fenster gebeugt und die behandschuhten Finger über den Türrand gelegt, ihr Haar hatte ausgesehen wie ein Heiligenschein, der von der Morgensonne hinter ihr beleuchtet wurde. Auf ihrem Gesicht hatte ein nicht zu entschlüsselnder Ausdruck gelegen, als sie gesagt hatte: »Nein, Trevor Wallace. Man muss was riskieren.«
    Trevor, der die Armstützen so fest umklammerte, dass seine Fingerknöchel weiß hervortraten, lockerte seinen Griff, als das Flugzeug ausrollte und zum Stillstand kam. Landungen waren angenehmer als Starts, und dieser Flug hier brachte ihn zumindest nach Hause. Er schnappte sein Gepäck und reihte sich ein in die Schlange der anderen Passagiere, die durch den Gang in die Ankunftshalle liefen. Als er sich vor den Gepäckbändern seinen Weg durch Berge von Koffern und wartende Reisende bahnte, hielt er die Augen dabei gesenkt und mahnte sich zur Achtsamkeit. Diesmal keine Fehler machen. Ein Moment der Unachtsamkeit war sein Niedergang gewesen. Im buchstäblichen Sinne.
    Der Beamte der kanadischen Zollbehörde schlug Trevors Reisepass auf, setzte seinen Stempel hinein und gab ihn zurück. »Willkommen daheim, Mister Wallace.« Fast hätte Trevor dem Mann die Hand geküsst. Wieder in der Zivilisation zu sein war eine wunderbare Sache. Seines Erachtens durfte er sich glücklich preisen, nicht in einem ägyptischen Gefängnis vor sich hin zu siechen.
    Trevor konnte es nicht erwarten, draußen in der klaren Luft von Alberta zu sein. Das Einzige, was ihn davon abhielt, die letzten paar Schritte zu den automatischen Ausgangstüren zu rennen, war ein Knubbel unter seinem linken Fuß. Er blieb stehen, schlüpfte heraus aus dem Schuh, der ihn plagte, und entdeckte einen Teelöffel Sand, ein Souvenir aus der Sahara. Als er die feinen, blassgelben Körner in den Abfalleimer rieseln ließ, lächelte er, zuckte mit den Achseln, und dann lachte er.
    Draußen vor dem Terminal preschte der Winterwind auf Trevor ein; die trockene Präriekälte ließ ihm den Atem stocken. Er winkte ein Taxi herbei. Die Minustemperaturen waren nahezu eine willkommene Erleichterung nach der Wüstenhitze, nur war er zu dünn angezogen. Er stellte den Kragen hoch und war froh, in das warme Taxi schlüpfen zu können. Auf der Fahrt ins Stadtzentrum verlagerten sich seine Gedanken von den Ereignissen der letzten paar Tage auf die Aufgaben, die vor ihm lagen. Zuerst schlafen. Morgen Lebensmittel einkaufen, Wäsche machen, Angela anrufen und einen Verkaufsbericht über die Reise schreiben. Er würde einige Details auslassen müssen. Andy würde ihm die Geschichte niemals abnehmen. Vielleicht war die ganze Sache nur ein böser Traum, den verdorbenes Essen oder der Jetlag ausgelöst hatten. Zurück zu traumlosen Nächten und ereignislosen Tagen. Gott sei Dank. Und Constance Ebenezer? Eine sonderliche, entzückende Frau. Doch würde er niemals wieder von ihr hören, davon war er überzeugt. Als das Taxi vor seiner Wohnung vorfuhr — der gefrorene Bow auf der anderen Seite der Straße bot einen beruhigenden Anblick waren ihm seine Gedanken an Constance entglitten, wie der Sand aus seinem Schuh in den Mülleimer gerieselt war, waren hinabgeglitten in die dunkle strudelnde Leere seiner

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