Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe. Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg. Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen. Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben. Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein
(Mt 20,1–15).
Da sind sie, die Arbeiter mit festem Vertrag zu dem heute meist Tariflohn, Kündigungsschutz, Weihnachtsgeld und Altersteilzeitregelung gehören würden. Sie haben wie vereinbart gearbeitet und den festgelegten Lohn erhalten. Das ist aber doch gerecht, oder? Oder ist es ungerecht, weil irgendwelche anderen, die im letzten Moment, ja, in der letzten Stunde erst gekommen sind, dasselbe erhalten wie die, die seit sechs Uhr früh da sind? Das ist doch ungerecht! Oder ist es gerecht, weil die Armen besonders auf die Zahlung angewiesen sind und der Denar, den sie erhalten, für einen Tag Leben reicht? Aber das sind doch ausgebeutete Leiharbeiter ohne Rechte! Oder ist es einfach die spontane Geberlaune beziehungsweise die Güte eines freien Weingutbesitzers?
Wie aktuell dieses Gleichnis nach fast 2000 Jahren ist, zeigt sich, wenn wir auflockerungshalber fragen, wie die aktuellen Parteien es analysieren würden. Ein kleines Gedankenspiel mit den Parteien in alphabetischer Reihenfolge:
CDU : Das Leistungsgefälle war gerechtfertigt und hätte nicht nivelliert werden sollen. Entscheidend ist: Es wurden Arbeitsplätze geschaffen, der Markt wurde durch Produktion ebenso wie durch Verdienstmöglichkeit angekurbelt.
DIE LINKE : Der Weingutbesitzer zeigt typisch kapitalistische und paternalistische Strukturen. Die Arbeiter sollten sich zusammentun, dann kann so manche Weinlese stillstehen.
FDP : Wir solidarisieren uns mit den Leistungsbewussten, eine Klage vor dem Verfassungsgericht für einen gerechten Lohn für die Erstarbeiter ist erstrebenswert. Besserverdiener braucht das Land.
Grüne : Das alles ist wieder total auf den Menschen fixiert – vielmehr sollte gefragt werden, ob es auf dem Weinberg ökologischen Anbau gibt, das ist das zentrale Kriterium zur Beurteilung.
PIRATEN: Hätten alle Arbeiter Zugang zum Netz gehabt, hätten sie sich gegenseitig über die Lohnabkommen informiert und es wäre nicht zu Überraschungen gekommen.
SPD : Wir sollten mit den Gewerkschaften beraten, wie dieses neue Lohnmodell so abgesichert werden kann, dass Gerechtigkeit empfunden und realisiert wird.
Das Gleichnis jedenfalls macht deutlich, dass Gottes Gerechtigkeit größer und weiter ist als menschliches Gerechtigkeitsdenken, weil sie dem Menschen Leben zusagt, weil sie ihm geben will, was er zum Leben braucht, und weil sie der Unvollkommenheit des Menschen mit Güte und Liebe begegnen kann. Wer an Gott glaubt, wird darum ringen, dem zu entsprechen, soweit es möglich ist auf dieser Welt. In dem Wissen, dass es erst in Gottes Zukunft vollkommene Gerechtigkeit geben wird.
Für mich bedeutet das als dritten biblischen Hinweis: den ganzen Menschen sehen. Hinschauen. Gerechtigkeit erfolgt nicht durch Almosengeben, das einen anderen herablassend wie ein Objekt behandelt, sondern indem ich dem anderen gerecht werden will. Hier ist wieder Haltung gefragt. In Psalm 32 mahnt der Beter: „ Wohl dem Menschen (…) in dessen Geist kein Trug ist!“.
Jeder Mensch soll die Chance haben, die eigenen Gaben einzubringen. Dazu braucht es eine Grundausstattung in Form von Nahrung, Obdach, Bildung, Gesundheitsversorgung. Es müssen nicht alle dasselbe leisten, es werden
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