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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaessmann
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(Mk 16,15–17).
    Vor den Augen der Jünger, die gerade um den höchsten Rang streiten, umarmt Jesus Kinder. Als Erwachsener musste er in die Knie gehen, um diese Umarmung möglich zu machen. Die Kindersegnung ist damit eine Provokation für ein statusorientiertes Denken. Die Szene zeigt auch, dass die Jünger mit dieser Vorgabe Jesu hadern. Kinder, die in Jesu Zeiten in der Gesellschaft als unbedeutend angesehen wurden, werden ihnen vorgezogen, die sie doch gerade mit wichtigen Fragen befasst sind – ein Affront! Kinder wurden damals kaum als Subjekte wahrgenommen. Wir sehen das schon daran, dass sie im „Neuen Testament“ sehr selten explizit erwähnt werden; sie sind „mitgemeint“. Wann immer aber von einer Menschenmenge die Rede ist, waren ganz gewiss auch Kinder darunter.
    An diesem Bibeltext ist aber auch interessant, dass Kinder als Subjekte von Glauben und Theologie vorgestellt werden. In theologischen und kirchlichen Überlegungen sind Kinder meist diejenigen, die noch werden müssen, die erzogen werden, die gebildet werden, die Objekt unseres Handelns und Denkens sind. In dem bei Markus wie Lukas überlieferten Satz „Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen“ sind Kinder Vorbilder für Erwachsene. Der kindliche Zugang zum Reich Gottes, zum Glauben wird nicht als defizitär dargestellt, sondern als geradezu vorbildlich. In der Art und Weise, wie Kinder sich bedingungslos anvertrauen, wie sie mit allergrößter Offenheit ohne jeden Hintergedanken ein Geschenk annehmen können, gilt es, den Glauben anzunehmen. Wir können also nicht nur etwas für Kinder tun, sondern auch von Kindern lernen. Das habe ich immer wieder erlebt. Sie sprechen unbefangen von Gott, Glauben, Leben und Tod, sie fragen unbefangen und können uns zu neuen Einsichten verhelfen – wenn wir denn zuhören.
    Machbarkeit
    Auf einer Bahnfahrt setzte sich ein Mann neben mich und fragte, ob er kurz mit mir über eine persönliche Frage sprechen dürfte. Es gehe um eine Frage, die ihn enorm umtreibe. Seine Schwiegertochter war nach der Geburt des ersten Kindes an Brustkrebs erkrankt und befand sich in Hormontherapie. Diese Behandlung dauert fünf Jahre und in dieser Zeit ist eine Schwangerschaft nicht möglich. Nach den fünf Jahren wäre sie aber mit 45 zu alt für ein zweites Kind, das sich beide sehnlichst wünschten. Nun hatten sie während eines USA-Aufenthaltes Ei- und Samenzellen einfrieren lassen und überlegten, ob sie diese nach einer In-vitro-Befruchtung einer Leihmutter einsetzen lassen sollten, um das Kind dann nach der Geburt nach Deutschland zu holen – ihr leibliches Kind. „Die Büchse der Pandora ist geöffnet“, sagte der Mann. Ein sehr engagierter Vater, der mit seinen Kindern wie mit der ganzen Familie über das Dilemma im Gespräch war. Aber was für eine Herausforderung für eine Familie! Wie entscheiden, was verantwortbar ist?
    Wie urteilt die Theologin, war die Frage. Ich hatte immer Mühe, Ethik als ehernes Gesetz zu sehen, das eindeutige Antworten auf völlig unterschiedliche persönliche Situationen gibt. Angesichts der sich verändernden Realität und der jeweils persönlichen Umstände müssen wir unsere Grundsätze immer wieder hinterfragen. Das gilt auch, wenn derzeit diskutiert wird, ob es ethisch verantwortbar ist, dass eine Untersuchung in der frühen Schwangerschaft die Diagnose Down-Syndrom klärt. Soll das verboten werden, weil sonst Behinderung zusätzlich stigmatisiert wird? Das ist eine nachvollziehbare Position, die klar und überzeugend beispielsweise von Behindertenverbänden vertreten wird. Oder ist es eine Hilfe für werdende Eltern, weil sie so die Entscheidung für oder gegen das Kind frühzeitig und nicht erst nach der 24. Schwangerschaftswoche treffen können? Für mich bleibt das eine ethische Zerreißprobe, die niemand so einfach von einem hohen Ross herunter entscheiden kann. Einerseits: Wer schützt diese Kinder in den ersten Wochen ihres Lebens, denn es ist Leben, ein Mensch ist vollständig angelegt! Andererseits: Niemand kann den Eltern die Frage abnehmen, ob sie die Kraft haben, ein Kind mit Behinderung großzuziehen. Gewiss, es gibt Studien, dass solche Eltern bewusster leben und lieben, aber wer will urteilen, ja, verurteilen?
    Ähnliche Auseinandersetzungen gibt es um die Präimplantationsdiagnostik, die Frage, ob bei einer In-vitro-Fertilisation die im Reagenzglas befruchteten Embryonen auf schwere Erbkrankheiten untersucht werden

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