Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
die schwersten Tage, da hätten die Kinder derart viele Stunden allein vor dem Fernseher hinter sich, dass sie kaum fähig wären, mit anderen zu spielen. Wir machen es uns aber zu einfach, wenn wir die Eltern verurteilen. Die Frage ist doch: Wie können wir ihnen helfen, wirklich zu erziehen, und den Kindern die Chance eröffnen, eigenständige, denkende, freie Menschen zu werden?
Gewaltfreie Erziehung
Unsere Kinder zu starken Persönlichkeiten erziehen, darum muss es doch Eltern wie der Gesellschaft insgesamt gehen. Dass wir Menschen mit Rückgrat brauchen, davon hat schon Bettina Wegner gesungen. Und dass gewaltfreie Erziehung das Rückgrat stärkt, haben Studien inzwischen erwiesen. Und seit 2000 gibt es endlich ein Gesetz, das in Deutschland Kindern ein Recht auf gewaltfreie Erziehung zugesteht. Wie notwendig das war, welcher lange Prozess dahinter stand, kann erahnen, wer den Film „Das weiße Band“ gesehen hat. Beklemmend, wie Kinder ihren Eltern absolut ausgeliefert sind. Bedrückend, wie auch der wohlmeinende Pfarrer und seine Frau ihre Kinder züchtigen und demütigen. Am Ende des Films heißt es, hier sei die Generation herangewachsen, die auch im Nationalsozialismus mit Gehorsam statt mit Widerstand reagiert habe. Grade, klare Menschen wär’n ein schönes Ziel …
Nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich restriktive Erziehungsmethoden fortgesetzt. Ausgeliefert waren ihnen am schutzlosesten Kinder in Erziehungsheimen. Sie wurden aus nichtigsten Gründen dorthin verfrachtet. Demütigung, Schläge, Hunger, Gewalt bis zu sexuellem Missbrauch und Vergewaltigung mussten sie erleben. Auch in kirchlichen Heimen. Das hat mich besonders deprimiert. Wenn wir als Christen glauben, dass Gott selbst Kind war, wie kann da jemand bewusst ein Kind schikanieren und erniedrigen. Ein langer, bitterer Prozess der Aufarbeitung begann. Die Opfer sind bis heute verletzt. Viel zu lange durften sie ihre Geschichten nicht erzählen.
In meiner Zeit als Landesbischöfin in Hannover habe ich mit mehreren Opfern gesprochen. Besonders anrührend war eine Begegnung in Ostfriesland. Ich war zu einer Veranstaltung dort, und die Einladenden sagten etwas vorsichtig, da sei ein Mann, der mich sprechen wolle, aber sie wüssten nicht … Ich bin zu ihm gegangen, und dieser alte Mann mit von Arbeit rauen Händen hatte Tränen in den Augen, drückte mich und sagte, er habe seine Kinderheimzeit aus Scham immer verschwiegen, als er aber einen Artikel von mir dazu gelesen habe, hätte er seinen Kindern alles erzählt und fühle sich viel freier.
Die Opfer haben geschwiegen, aus Scham und auch, weil niemand sie hören wollte. Das ist eine Verdoppelung des Unrechts. Und es ist gut, dass endlich aufgearbeitet wurde – zumindest so weit das noch möglich ist –, auch wenn sicher nicht für alle zufriedenstellend. Wiederum: Raum für Versöhnung entsteht, wenn Opfer gehört werden und Täter ihre Schuld bekennen. Das ist für alle Beteiligten ein schwerer Prozess, Versöhnung braucht Zeit und Kraft, da müssen Wahrheiten ausgesprochen werden, die für alle nicht leicht zu hören und zu ertragen sind. Versöhnung braucht auch Schutzräume, denn Verletzungen, Vertrauensbruch, Eingestehen von Schuld und Suche nach Vergebung berühren die persönlichsten Gefühle von Menschen. Aber ich habe immer wieder gesehen, dass sie gelingen kann. Das gibt Hoffnung auf Zukunft, denke ich.
Alleinerziehende
Am schwersten aber bleibt es für alleinerziehende Mütter. Wie oft sind sie am Limit, ohne jede Entlastung. Eine Journalistin schrieb mir: „Gestern Abend war ich mit einer Frau einen Wein trinken, die einen kleinen Sohn (9) hat, ganztags arbeitet. Der Vater hat den Kleinen jahrelang nicht gesehen, dann hat er sich zu seiner Verantwortung bekannt, hat sich mit seinem Sohn getroffen, mit ihm eine Beziehung aufgebaut, dann ist er gestorben. Ende März. Das klingt nach einem schlechten Film, ist aber die reine Wahrheit. Nun war gestern Abend schönes Wetter. Ich war ohne Kinder, die Frau wollte auch die Sonne genießen. Wir haben uns um 19 Uhr in einem Lokal an der Alster getroffen, mit ihrem Kind. Sie hat keine Möglichkeit, ihn woanders unterzubringen. Sie wollte mir viel erzählen, ihr Herz war schwer, sie hatte einen Nintendo für den Kleinen mit, auch ihren Laptop, er hätte auch Mr Bean sehen können. Der Junge hat sich ab 20 Uhr total gelangweilt, sie, die Mutter, hatte ein schlechtes Gewissen, sie wollte so gern ihr Herz ausschütten, vertröstete den
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