Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter
(Mk 3,31–35).
Als Mutter fand ich diese Bibelstelle manchmal sehr hart. Sicher, es gibt Phasen der Auseinandersetzung, auch Zeiten, in denen Abstand notwendig ist. Und doch zeigt sich: „Blut ist dicker als Wasser“, wie ein altes Sprichwort sagt. Natürlich können sich Familien auf entsetzliche Weise zerstreiten. Aber wesentlich häufiger halten sie auch über Differenzen hinweg zusammen. Sie ringen darum, Erinnerungen zu heilen, Konflikte zu bewältigen, Zukunft möglich zu machen, füreinander einzustehen. Und ohne Großeltern wüsste so manche junge Familie nicht ein noch aus.
(Ehe-)Paare
Ich beneide Paare, die ein Leben lang zusammenbleiben. Das ist der Wunsch der meisten Menschen, denke ich: einen Partner oder eine Partnerin zu finden, mit dem oder der ich so vertraut werde, dass ich die Höhen und die Tiefen des Lebens miteinander bestehen kann. Wer das erleben darf, kann nur dankbar sein. Ich habe in den mehr als zehn Jahren als Landesbischöfin vielen Paaren mit einer Urkunde zur Goldenen, Diamantenen oder Eisernen Hochzeit gratuliert. Es ist doch nicht so, als gäbe es das nicht mehr! Und wie schön ist es für Kinder und Enkel, wenn die Eltern beieinander sind, wenn sie die Großeltern gemeinsam besuchen können. Wir können Paare nur ermutigen, die Höhen und Tiefen durchzustehen, sich nicht vorschnell abzuwenden und der Versuchung zu widerstehen, die meint, mit einem anderen Mann, einer anderen Frau oder auch allein ein besseres Leben, eine tiefere Liebe zu finden. Es geht um Vertrauen zueinander, das auch Differenzen bewältigt, ja, sogar einen Vertrauensbruch überstehen kann. Liebe erweist sich doch nicht in guten Zeiten, das wäre allzu einfach. In schweren Tagen bewährt sie sich, in Zeiten der Auseinandersetzung, der Entfremdung, der Differenz und der Verletzung. Der christliche Glaube kann Paare ermutigen, weil er von Scheitern und Versagen weiß, von der Möglichkeit von Vergebung und Neuanfang, ja, auch von der Kraft des Gebets!
Manchmal finde ich merkwürdig, wie lange Paare zögern, bevor sie heiraten. Da leben sie schon acht Jahre zusammen in einer Wohnung, haben gemeinsam Küche und Möbel angeschafft und entschließen sich dann zum Eheversprechen. Hier haben sich die Verhältnisse wirklich innerhalb weniger Jahrzehnte umgekehrt. Es stellt sich die Frage: Wie lange will ich eigentlich testen, bevor ich „sicher“ bin? Zum anderen: Welche Veränderung bringt denn die Hochzeit noch mit sich? Eigentlich seid ihr doch schon eine Art „altes Ehepaar“? Geht es hier um die Angst vor Verbindlichkeit, die eine Ehe als öffentlicher Schritt bedeutet: Wir stehen vor Staat und Kirche, vor der Gesellschaft und der versammelten Gemeinde zueinander.
Aber eine Heirat gibt der Liebe keinen „Kick“. Es geht darum, die „Gezeiten der Liebe“ auszuhalten, einen Begriff, den Anne Morrow Lindbergh geprägt hat. Sie schreibt: „Wenn man jemanden liebt, so liebt man ihn nicht die ganze Zeit, nicht Stunde um Stunde auf die gleiche Weise. Das ist unmöglich. Es wäre sogar eine Lüge, wollte man diesen Eindruck erwecken. Und doch ist es genau das, was die meisten von uns fordern. Wir haben so wenig Vertrauen in die Gezeiten des Lebens, der Liebe, der Beziehungen. Wir jubeln der steigenden Flut entgegen und wehren uns erschrocken gegen die Ebbe. Wir haben Angst, sie würde nie zurückkehren. Wir verlangen Beständigkeit, Haltbarkeit und Fortdauer; und die einzig mögliche Fortdauer des Lebens wie der Liebe liegt im Wachstum, im täglichen Auf und Ab – in der Freiheit; einer Freiheit im Sinne von Tänzern, die sich kaum berühren und doch Partner in der gleichen Bewegung sind.“Eine schöne Beschreibung! Ein bisschen kitschig vielleicht, aber sie ermutigt, Veränderungen auszuhalten. Im Partner oder in der Partnerin nicht permanent die Quelle des eigenen Lebensglücks zu suchen. Auszuhalten, dass es Zeiten der Ebbe gibt, und wissen, dass die Flut wiederkommt. Das kann schmerzhaft sein, Kraft und Tränen kosten, aber es lohnt sich. Ich persönlich beneide Paare, deren Ehe die Gezeiten übersteht.
Und doch sind
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