Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
Ehen und Beziehungen insgesamt anfälliger geworden für Trennungsfragen. Es gibt viele Gründe dafür: Die Menschen werden älter, die Angst vor Existenznot wird geringer – vor allem weil viele Frauen ein eigenes Einkommen haben –, und die Diskriminierung, als „geschieden“ zu gelten, ist nahezu getilgt. Dennoch tut Trennung weh. Ich denke, vor diesem Hintergrund erweist sich das sechste Gebot – „Du sollst nicht ehebrechen“ – als gute und heilsame Wegweisung. Auch heute ist Ehebruch Vertrauensbruch und somit keine Lappalie, sondern stürzt Paare, ihre Kinder, ihr Umfeld in tiefe Auseinandersetzungen und Verletzungen. „Treue“ erscheint manchen im Zeitalter von „Freundschaft plus“ als veralteter Begriff. Aber Treue hat zuallererst mit Vertrauen zu tun und erst an zweiter Stelle mit Sexualität. Wenn zwei Menschen einander vertrauen, bereit sind, Tiefen und Höhen zu teilen, ist das eine gewichtige Lebensentscheidung. Das ist doch auch der Grund, warum uns eine Trauung mit dem Versprechen, einander zu lieben und zu ehren, bis der Tod scheidet, so bewegt! Wenn zwei Menschen das einander zusagen, bin ich auch als Pfarrerin berührt. Sie mögen an diesem Versprechen scheitern, wie wir an so vielem scheitern. Aber sie sind entschlossen, gewillt, für den Rest ihres Lebens zueinanderzuhalten, und das allein zählt. Das verdient allen Respekt und alle Unterstützung.
Kinder
Zuallererst geht es um Paare, die Kraft brauchen, zueinanderzustehen und die „Gezeiten der Liebe“ durchzustehen. Auch zu realisieren, dass sie sich verändern werden, je einzeln als Personen, aber auch im Miteinander. Ebenso wichtig sind Kinder, die verlässliche Strukturen brauchen. Am besten und schönsten ist es für Kinder ganz gewiss, mit beiden Eltern aufzuwachsen und zu spüren: „Ich bin erwünscht, wir halten zusammen.“ Aber auch wo die Beziehung der Eltern zerbricht, ist doch entscheidend: „Sie hassen sich nicht, sie wollen beide mein Bestes!“ Paare mögen ihre Beziehung beenden, aber sie bleiben Eltern (wenn sie denn Kinder haben). Ich finde es entsetzlich, wenn Menschen, die sich einst geliebt haben, das alles vergessen und ihre Verletzungen auf ein Kind übertragen!
Wenn es zu einer Trennung kommt, was auch immer die Gründe sein mögen, geht es darum, sich in Würde und gegenseitigem Respekt zu trennen. Als Landesbischöfin habe ich 2001 einmal vorgeschlagen, eine Art Scheidungsritual zu ermöglichen. Diese Anregung wurde schnell verrissen und gern missverstanden, nach dem Motto: Bischöfin will Scheidungen segnen. Mir ging es um etwas anderes: Wenn der Gottesdienst der Ort ist, an dem Menschen sich zusagen, ein Leben lang zueinanderzustehen, sollte es auch einen kirchlichen Ort geben, an dem sie sich gegenseitig eingestehen: „Wir beide sind daran gescheitert. Vor Gott haben wir dieses Versprechen gegeben und vor Gott wollen wir das Scheitern bringen.“ Ich denke immer noch, es könnte heilsam sein, so etwas zu tun. Das könnte helfen, die Verletzungen zu heilen, die in jeder Trennung entstehen, so gut diese auch bewältigt werden mag. Es gibt schlicht Schmerz, Trauer, Tränen, die nicht einfach wegrationalisiert werden können.
Die Liebe zu meinen Töchtern ist die größte, die ich empfinden kann. Eigene Kinder zu haben hat mich emotional immer überwältigt. Dabei will ich nicht infrage stellen, dass auch Menschen ohne eigene Kinder lieben können! Das habe ich oft gesehen und erlebt. Aber trotzdem bleibt die Liebe zum eigenen Kind ein besonderes Gefühl.
Als ich 2011 auf der Frankfurter Buchmesse gemeinsam mit dem Autor Thomas Brussig unsere Beiträge in einer Kinderbuchreihe des Verlags Chrismon vorgestellt habe, erzählte er, wie überwältigend die Erfahrung war, Vater eines Sohnes zu werden. Er sagte sinngemäß: „Ich liebe ihn so sehr, ich würde ihn sogar weiterlieben, wenn er ein Verbrecher werden würde!“ Das hat für Heiterkeit gesorgt, birgt aber einen tiefen Ernst. Es geht um Liebe, die nicht urteilt, nicht verurteilt, sondern bedingungslos zugesagt ist. Ohne pathetisch zu werden: Das ist die Liebe, die viele Menschen in der Pietà wiedererkennen – die Mutter Maria, die den Sohn im Sterben nicht alleingelassen hat und am Ende als Leichnam in den Armen hält.
Verwandtschaft endet nicht. Deshalb kann ich nicht begreifen, dass sich Eltern und Kinder, Geschwister untereinander derart zerstreiten. Es tut gut, Familie zu haben. Und Familie hat jeder, weil wir alle Eltern haben. Ganz
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