Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
gleich wie viele „Uffs“ wir setzen mögen: Es bleibt meine Familie.
Freundschaft
Was für Paare gilt, das gilt in vieler Hinsicht auch für Freundschaften. Oft, so meine ich, werden Freundschaften unterbewertet. In Zeiten von Facebook und anderen sozialen Netzwerken wird der Begriff „Freundschaft“ geradezu leichtfertig benutzt. Mir aber bedeutet Freundschaft neben der Familie viel. Meine beste Freundin kenne ich seit 26 Jahren. Damals war ich Pfarrfrau, hatte gerade Zwillinge bekommen, und sie lud mich auf dem Dorf zu einem kleinen Familienfest ein. Wir haben in den folgenden Jahren viele Feste gefeiert. Ich habe ihre zweite Tochter getauft, sie wurde Patentante meiner vierten Tochter, wir sind in Urlaub gefahren, haben miteinander Silvester gefeiert, ich habe ihren Mann beerdigt, sie ist gekommen, als mein Rücktritt anstand … Freud und Leid, Höhen und Tiefen im wahrsten Sinne des Wortes. Durch solche Erfahrungen können Freunde uns manchmal näher kommen als die Familie. Meine Freundin und ihre Töchter sind daher für mich Teil der Familie.
Ich habe aber auch erlebt, dass Freundschaften enden. Weil Verletzungen zu tief gehen oder Missverständnisse zu sehr schmerzen. Etwa wenn die eine meint, die andere sei zu dominant mit ihren Lebensdramen. Oder wenn Kinderhaben und Kinderlosigkeit zu extrem unterschiedlichen Lebensentwürfen führen.
Und gleichzeitig will ich ein Lob der Freundschaft singen! Wie karg wäre das Leben ohne Freundschaften! Großartig finde ich auch, wie neue Freundschaft wachsen kann an neuem Ort, manchmal völlig unerwartet. Da ist auf einmal eine Person, der ich spontan vertraue und mein Herz ausschütte – und mein Vertrauen wird nicht enttäuscht. Das ist doch das Wagnis: mich öffnen, ohne Angst haben zu müssen, dass das Gesagte weitergetratscht, gar öffentlich gemacht wird. Beziehungen sind immer das Wagnis von Vertrauen. Ich möchte es weiter wagen können, auch wenn ich enttäuscht worden bin.
Freundschaft ist keinesfalls etwas so Oberflächliches, wie Facebook vermuten lässt, wo viele Hunderte von „Freunden“ haben. In den Jahren, in denen ich mich intensiv für meine Doktorarbeit mit der Ökumenischen Bewegung befasst habe, wurde mir klar, dass die Freundschaften der ersten Ökumeniker – George Bell, Willem Visser’t Hooft, Dietrich Bonhoeffer, Nathan Söderblom – viele der nationalen und konfessionellen Konflikte überwinden halfen. Oft scheint eine Art „Theologie der Freundschaft“ mehr Grenzen zu überwinden als lange Diskussionen und Traktate, weil Menschen einander schlicht mögen und es wagen, einander zu vertrauen.
Seit 1983 bin ich mit einer Amerikanerin befreundet. Wir haben uns kennengelernt, als ich Jugenddelegierte der EKD bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver war. Sie war 1975 Jugenddelegierte ihrer Methodistischen Kirche der USA in Nairobi gewesen und in gewisser Weise meine Vorgängerin. Als 1991 in Canberra die Frage anstand, ob ich mich in den Exekutivausschuss des Ökumenischen Rates wählen lassen und von ihr den Vorsitz der Kommission für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung übernehmen würde, stand sie mir entscheidend bei. Ich hatte große Zweifel, da ich mit dem vierten Kind schwanger war. Das würde einer Wahl entgegenstehen, dachte ich. Doch Jan sagte: „Who should know?“ – wen geht es etwas an? Außerdem war ich nicht sicher, ob ich all die parlamentarisch-rechtlichen Abläufe auf Englisch bewältigen könnte. Jan hat mich ermutigt, mir die Regeln noch einmal klargemacht, etwa zum „amendment to the amendment“ – und es ging gut. Wir haben oft und viel miteinander gerungen, vor allem, als sie der Kommission vorstand, die einen Kompromiss mit der russisch-orthodoxen Kirche suchte und ich aufgrund des Kompromisses mein Engagement im Ökumenischen Rat der Kirchen niederlegte.
Wir sind Freundinnen über fast dreißig Jahre hinweg. Am Tag nach meinem Rücktritt als Ratsvorsitzende der EKD rief sie mich an und sagte: „Margot, now is the time to come to Georgia!“ Sie war inzwischen Dekanin der Theologischen Fakultät der Emory-Universität in Atlanta und gab mir die Möglichkeit, dort vier Monate zu lernen, zu lehren und Abstand zu gewinnen. Es waren eine gute Zeit und ein gutes Miteinander. Im Oktober 2012 bin ich nach New York geflogen, um mit ihr gemeinsam ihren 60. Geburtstag zu feiern.
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