Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern
ist nicht kleinzureden, sie dauert bis heute an. Aber gleichzeitig ist da ein tiefer Friede, weil alles besprochen war, niemand den Tod verdrängt hat, sondern ein Abschied in Würde möglich wurde. Dazu müssen wir ermutigen statt das Sterben zu tabuisieren. Dann sagen wir eben nicht Ja und Amen zum Sterben, sondern bäumen uns auf: Ich möchte bewusst sterben, ich will die Hand anderer halten, wenn sie ihren letzten Weg gehen, und mich nicht abwenden. Wer stirbt soll nicht abgeschoben werden in Zimmer 23, sondern mitten im Leben den letzten Weg gehen, begleitet durch die Lebenden und mit der ihm eigenen Würde.
Vor einiger Zeit wurde ich im Bekanntenkreis um eine Trauung gebeten. Das Traugespräch war gut und intensiv, aber ich verlor ein wenig den Überblick über die Familienverhältnisse. Um nichts Falsches zu sagen, bat ich das Brautpaar, mir in einer Mail noch einmal Namen und Zusammenhänge aufzuschreiben. Er hatte eine Tochter aus erster Ehe, die wiederum bereits ein Kind hatte; sie hatte zwei Kinder aus erster Ehe. Und das Brautpaar erwartete ein gemeinsames Kind. Die Braut schrieb mir: „Uff, vielleicht schwer zu verstehen, aber wir sind Familie!“
Familie
Mich hat das beschäftigt: „Uff, aber wir sind Familie.“ Irgendwie erinnert das doch an die Geschichten im hebräischen Teil der Bibel. Abraham und Sarah im Konflikt mit Hagar und Ismael und dem Ringen um den gemeinsamen Sohn Isaak. Jakob und Esau, die Zwillinge, deren Eltern für je einen von ihnen Position beziehen und die sich erst spät versöhnen. Josef und seine Brüder und die Schwester Dina. König David und seine Frauen und seine Kinder. Uff, aber es ist Familie! Und ganz offensichtlich ist Familie nicht erst seit heute ein weiter Begriff.
Wenn wir um eigene Positionen ringen, wann immer wir uns fragen, wie wir glaubwürdig leben können, spielen unsere Beziehungen eine gewichtige Rolle!
Bei einer anderen Trauung war ich kürzlich beim anschließenden Essen überrascht, dass die Gäste zwischen drei unterschiedlichen Menüs wählen konnten: „mit Fleisch, vegetarisch, vegan“. Eine Familie, die viel diskutiert hat! Bei den Kindern und ihren Partnerinnen und Partnern gab es einige, die sich bewusst für eine vegane oder vegetarische Ernährung entschieden haben, weil die Massentierhaltung sie abstößt und sie sich gefragt haben, welche Schlussfolgerungen sie aus ihrer Empörung eigentlich ziehen müssten. In dieser Familie gibt es aber auch Landwirte, die selbstbewusst ihre Betriebe führen. Natürlich ist das Thema in einer Familie, da gibt es auch Konflikte! Oder denken wir an die vielen Debatten um Kriegsdienstverweigerung. Das ist zurzeit nicht mehr aktuell, aber als ich jung war, führte das in vielen Familien zu heftigen Auseinandersetzungen. Da hatte der Vater „gedient“ und fühlte sich durch den Sohn provoziert, der sich für den Zivildienst entschied. Ich erinnere mich an eine Situation, als meine Tochter mich in der Küche damit konfrontierte, dass ich Kaffee gekauft hatte, der nicht aus fairem Handel stammte – sie hatte recht!
Mehr als Ja und Amen – zu unseren Grundhaltungen im Leben kommen wir doch nicht individuell, sondern im Miteinander, durch die Erziehung, durch die Anmahnung der jüngeren Generation, durch Diskussionen im Freundeskreis, Diskussionen in der Kirchengemeinde. Beziehungen können entscheidend dafür sein, dass wir an Positionen festhalten und nicht bei der ersten Kritik einknicken.
Meine eigene Familie ist groß und weit verzweigt. Wir sind zwölf Cousinen und Cousins – alle Enkel einer Großmutter. Meine Mutter hat zehn Enkelkinder und inzwischen vier Urenkel. Eine meiner Cousinen hat neun Kinder und 37 Enkel! Sehr nah war ich in den vergangenen 30 Jahren einem Cousin meiner Mutter und seiner großen Familie von fünf Kindern und elf Enkeln. Mit einer meiner Cousinen war ich kürzlich in Berlin zum Frühstück verabredet, und es war sehr vergnüglich, darüber zu reden, wer sich an was und an wen und an welche Ereignisse erinnert, und zu versuchen, einen Überblick darüber zu schaffen, wer eigentlich wo ist und was tut. Vielfältig, manchmal spannungsvoll, nicht immer nachvollziehbar. Uff, aber es ist Familie!
Jesus weist, so erzählt es das Matthäusevangelium, einmal seine Geburtsfamilie zurück, indem er auf Freundinnen und Freunde verweist:
Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie
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