Mehr als nur ein halbes Leben
mit.«
Er geht an dem Veteranen im Rollstuhl vorbei und weiter bis zum Eingang eines angrenzenden Raums, zu schnell, als dass ich mit ihm Schritt halten könnte. Er wartet auf der Türschwelle und sieht mir beim Laufen zu. Schätzt mich ab. Stock. Schritt. Nachziehen. Vermutlich überdenkt er diese ganze Idee mit dem Snowboardfahren noch einmal. Stock. Schritt. Nachziehen. Vermutlich denkt er, dass der Skischlitten doch besser für mich geeignet wäre. Stock. Schritt. Nachziehen. Ich kann spüren, wie der Veteran mich ebenfalls beobachtet und vermutlich derselben Meinung ist. Ich sehe auf die Wand vor mir und bemerke ein Poster von jemandem, der oben auf dem Berg in einem Skischlitten sitzt, hinter ihm sein Schlittenführer auf Skiern. Panik beginnt, kreuz und quer durch meinen Kopf zu schießen, und beschwört jeden Teil von mir, mit dem man vielleicht vernünftig reden kann, Mike zu sagen, dass ich nicht mit ihm mitkommen kann, dass ich gehen muss, dass ich mit meinem Mann in der Hütte verabredet bin, dass ich zurück zu meinen Wortsuchrätseln muss, dass ich in diesem Augenblick irgendwo anders sein muss. Aber ich sage nichts und folge ihm in den angrenzenden Raum.
Der Raum sieht aus wie ein Lagerhaus, vollgestopft mit umgebauter Ski- und Snowboardausrüstung. Ich sehe etliche Skistöcke unterschiedlicher Höhe, an deren unteren Enden Mini-Skier befestigt sind, Holzdübel, an deren Enden Tennisbälle stecken, Stiefel und alles mögliche Metallzubehör. Als vor mir eine große Anzahl von Skischlitten auftaucht, die aufgereiht an einer Wand stehen, geht meine Panik mit mir durch und steigert sich zu einem regelrechten Anfall.
»Mit dem hier würde ich gern bei Ihnen anfangen.«
Während ich nach links sehe und versuche, Mike, seine weißen Zähne und den Skischlitten, mit dem ich anfangen soll, ausfindig zu machen, wird mir immer schwindeliger. Ich hätte in der Hütte bei meinem People -Magazin und meinen Wortsuchrätseln bleiben sollen. Ich hätte mit meiner Mutter nach Hause fahren und ein Nickerchen machen sollen. Aber als ich Mike schließlich finde, steht er gar nicht neben einem der Skischlitten. Er steht vor einem Snowboard. Meine Panik legt sich ein wenig und beruhigt sich, aber sie bleibt skeptisch und wachsam und ist kein bisschen verlegen oder um eine Entschuldigung bemüht wegen dieses falschen Alarms.
Nach dem Wenigen zu urteilen, was ich über Snowboards weiß, sieht dieses hier fast normal aus. Ein metallener Haltegriff ist vor den Stiefelbindungen auf das Brett geschraubt. Er ist etwa hüfthoch, sodass er mich an eine der Haltestangen im Krankenhaus erinnert. Aber ansonsten sieht es aus wie ein gewöhnliches Snowboard.
»Was halten Sie davon?«, fragt er.
»Es sieht nicht allzu schlimm aus. Aber ich verstehe nicht, warum Sie glauben, dass ich eine Snowboarderin bin.«
»Sie können Ihr linkes Bein nicht im Auge behalten, stimmt’s? Das heißt, wir werden im Wesentlichen darauf verzichten. Wir werden es neben Ihrem rechten Bein auf dem Brett festschnallen, und los geht’s – Sie müssen es nicht nachziehen, anheben oder irgendwohin steuern.«
Das klingt allerdings verlockend.
»Aber wie soll ich wenden?«
»Ah, das ist noch ein Grund, weshalb Sie eine Snowboarderin sind. Beim Skifahren geht es darum, das Gleichgewicht abwechselnd von links nach rechts zu verlagern, aber beim Snowboardfahren geht es darum, das Gleichgewicht abwechselnd von vorn nach hinten zu verlagern.«
Er macht es mir vor, streckt die Hüfte vor und drückt dann das Gesäß nach hinten, wobei er in beiden Positionen in die Knie geht.
»Kommen Sie, geben Sie mir Ihre Hände, versuchen Sie’s mal.«
Er stellt sich vor mich hin, nimmt meine Hände und streckt meine Arme vor mir aus. Ich versuche zu imitieren, was er vorgemacht hat, aber selbst ohne einen Spiegel vor mir zu haben, in dem ich mich sehen könnte, weiß ich, dass alles, was ich tue, eher so aussieht wie Martin Short, der irgendeine sexuelle Handlung nachmacht, als wie jemand, der Snowboard fährt.
»So ungefähr.« Er versucht sich das Lachen zu verbeißen. »Stellen Sie sich vor, Sie hocken über dem Sitz einer öffentlichen Toilette, auf den Sie sich nicht setzen wollen. Das ist nach hinten. Und dann stellen Sie sich vor, Sie sind ein Typ, der möglichst weit in den Wald pinkeln will. Das ist nach vorn. Versuchen Sie’s gleich noch mal.«
Ich halte mich noch immer an seinen Händen fest und bin gerade im Begriff, nach vorn zu schwingen, als ich
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