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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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gut sie eigentlich aussieht, und ich wäre derjenige gewesen, der sie verwandelt hat.
    Ich wollte mich mit Claire unterhalten, mit ihr irgendwohin gehen und sie wieder küssen und überhaupt ganz viel Zeit mit ihr verbringen.
    Kann ich alles vergessen. Ich finde es sogar schade, dass ich nicht mal mehr mit Carl zusammen den Fundsachenschrank fertig aufräumen kann.
    Mum kommt hoch und setzt sich neben mich aufs Bett. »Was hat er gesagt?«, frage ich und meine Stimme ist ganz zittrig.
    »Er kommt so schnell wie möglich mit Maureen vorbei. Sie wollen sich mit dir unterhalten und dann entscheiden, wie es weitergeht.« Sie legt mir die Hand auf die Schulter, aber ich schüttelte sie zornig ab. »Aber es klang nicht gut, tut mir leid.«
    Doug und Maureen sind um neun da, gerade als ich mir vorgestellt habe, dass sie auf der Autobahn verunglückt sind und wir sie nie wiedersehen. Mum redet erst allein mit ihnen, dann ruft sie mich runter. Ich mag den beiden nicht in die Augen sehen. Dann sagt Maureen ziemlich freundlich: »Da ist wohl einiges ein bisschen schiefgelaufen, was, Ty? Doug hat einen Anruf von deinem Schulleiter bekommen, dass du schon wieder suspendiert worden bist.«
    |337| Sie müssen mit Mum schon drüber gesprochen haben, denn die sieht noch fertiger aus als vorher und drückt ihre Zigarette so energisch aus, als wollte sie den ganzen Aschenbecher zu Staub zermahlen. »Warum hast du mir nichts gesagt?«, will sie wissen. »Du hast noch ein Mädchen schikaniert? Man hat dich schon zum zweiten Mal vom Unterricht ausgeschlossen?«
    »Ich hab sie gar nicht   … sie lügt   …«
    Dann fällt mir ein, dass Maureen und Doug damals mitgekriegt haben, wie ich Ashley überreden wollte, mit in mein Zimmer zu kommen, und ich beiße mir auf die Zunge. Die drei würden mir doch nicht glauben.
    »Das ist gar nicht gut, Kumpel«, sagt Doug. »Wirklich schade, aber ich glaube, wir müssen euch doch woanders hinbringen. Hier hast du zu viel Staub aufgewirbelt. Du bist aufgefallen. Und wir dürfen nicht noch eine Familie gefährden.«
    Ich sage nicht viel. Die drei sitzen da und sehen mich an, und ich begreife, dass ich es irgendwie geschafft habe, wieder mal alles zu versauen. Es kommt mir wie eine viel zu harte Strafe vor, schließlich habe ich das erste Mal eine richtig gute Tat vollbracht. Aber vielleicht funktioniert das Leben ein bisschen so wie die Bonuskarte im Supermarkt   – bloß umgekehrt: Du lebst ganz normal vor dich hin und alles summiert sich, ohne dass du groß drüber nachdenkst, und auf einmal hast du einen Haufen Gutscheine in der Post. Oder, wie in meinem Fall, du triffst jede Menge falsche Entscheidungen und die sammeln sich an, bis dein ganzes Leben auseinanderbröckelt.
    |338| Ich packe meinen iPod ein und den
Manchester United - Schal
von Dad. Ich packe meine Fotos ein und die Schulbücher. Ich packe Joes neue Klamotten ein, seine Laufschuhe, seine Kontaktlinsen und sein Haarfärbemittel. Ich packe die beiden zerknitterten Zettel von Claire ein und gebe mir große Mühe, nichts dabei zu fühlen. Dann lege ich mich wieder aufs Bett und denke an die Zeit, als ich Joe war.
    Als Mum fertig ist, packen Maureen und Doug unsere Taschen ins Auto. Aber ich stehe nicht auf. Allerhand verrückte Gedanken gehen mir durch den Kopf, Gedanken vom Abhauen. Dass ich heimlich in Claires Zimmer wohne, oder in ihrem Gartenschuppen oder so was. Maureen kommt rein und setzt sich aufs Bett. »Wir müssen los«, sagt sie.
    »Ich geh nicht mit. Das ist nicht fair. Mir gefällt es hier. Ich kann nicht weg.«
    »Anderswo wird es dir auch gefallen. Wenn du hierbleibst, bringst du dich und andere Menschen in große Gefahr.«
    »Mir doch egal.«
    »Denk doch mal daran, wie deiner Oma zumute wäre, wenn dir etwas zustößt. Das würde ihr den Rest geben. Es geht ihr schon viel besser, wahrscheinlich wird sie bald entlassen und kann zu deinen Tanten. Denk daran, wie dieser Claire zumute wäre, wenn dir ihretwegen etwas passieren würde. Dir liegt viel an ihr, oder?«
    Ich kann nur nicken und schlucken, und Maureen nimmt mich in den Arm und sagt: »Wird schon wieder.«
    |339| »Bin ich ein schlechter Mensch, Maureen?«, frage ich. Die Frage beschäftigt mich immer wieder und ich kann sie nicht richtig beantworten.
    »Soweit ich das beurteilen kann, bist du immer ein guter Junge gewesen, warst gut in der Schule und hast nie Ärger gemacht«, antwortet sie. »Aber in den letzten paar Wochen ist viel passiert und ab und zu hat

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