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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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dich dein gesunder Menschenverstand verlassen. Das kann jedem passieren. Deshalb bist du kein schlechter Mensch. Ich glaube auch nicht, dass du ein aufdringlicher Schlägertyp bist.«
    Das ist beruhigend, aber sie kennt nicht die ganze Wahrheit. Und weil sie Polizistin ist, kann ich ihr die Wahrheit auch nicht anvertrauen.

|340| Kapitel 28
Mel und Jake
    Jetzt muss ich also doch ins Auto steigen. Ich sehe die Straßenlaternen dieser gar nicht so langweiligen Kleinstadt hinter uns verschwinden. Dann fahren wir wieder über dunkle Landsträßchen. Dann auf eine Autobahn, gespenstisch hellorange beleuchtet. Wir übernachten wieder im Hotel, wieder in einem kleinen Zimmer, wo wir keinen Platz zum Auspacken haben und es nichts zu tun gibt, als auf den großen Fernseher zu starren.
    Trotzdem ist es ganz anders. Das Hotel ist so ähnlich wie das erste damals, aber wir haben uns verändert. Ich gehe jeden Tag laufen, in der Nähe gibt es ein Fitnesscenter, wo ich schwimmen und trainieren kann. Manchmal kommt Mum mit. Wir unterhalten uns auch ab und zu, und ich erzähle ihr ein bisschen davon, wie grässlich es auf der St. Saviours war und dass Arron und ich eigentlich gar keine Freunde mehr waren. Ich verschweige ihr aber, was die Jungs über sie gesagt haben. Das kann sie jetzt echt nicht brauchen. Wir vermeiden es, über Claire zu reden, aber ich erkläre ihr ein paar Sachen hinsichtlich Ashley, und sie scheint mich zu verstehen.
    |341| Eines Tages bin ich mal ganz mutig und frage: »Was hast du damit gemeint, als du zu Claire gesagt hast, du weißt, wovon du redest?« Und sie antwortet: »Ach, ich habe damals bei dem Anwalt so viele Horrorgeschichten gehört. Daher weiß ich, wie wichtig es für ein Mädchen ist, sich solche Misshandlungen nicht gefallen zu lassen.« Und ich sage: »Ich habe Claire nicht misshandelt«, und sie schüttelt bloß den Kopf. Und ich weiß, dass sie mir nicht die ganze Wahrheit sagt, und ich glaube, dass sie weiß, dass ich es weiß.
    Maureen schneidet mir die Haare etwas kürzer und färbt sie um, irgendwie dunkelrotbraun, was in meinen Augen ziemlich schräg aussieht. Die Augenbrauen bleiben, wie sie sind, und sie sagt, ich kann wieder grüne Augen kriegen, was ich gut finde, aber sie will, dass ich eine Brille trage, was ich nicht gut finde. Wahrscheinlich ist mein neues Aussehen darauf abgestimmt, dass ich möglichst unattraktiv auf Mädchen wirke. An meinen Klamotten hat Maureen nichts verändert, sodass ich mich im Prinzip immer noch als Joe fühle. Joe mit Brille und einer schlimmen Frisur.
     
    Ich halte nach einem Computer Ausschau, finde aber nirgendwo ein Internet Café, und die einzige Bibliothek am Ort stellt einem keinen Ausweis aus, wenn man keine richtige Adresse hat. Also kann ich Claire nicht mal eine Mail schicken. Ich weiß sowieso nicht, ob das so gut wäre. Wenn ich an sie denke, habe ich so ein komisches Gefühl, traurig ist noch untertrieben, vielleicht könnte man |342| es verzweifelt nennen, weiß nicht   – also versuche ich irgendwann, gar nicht mehr an sie zu denken. Es kommt mir vor, als hätte sie eine schmerzende Leere in mir hinterlassen.
    Maureen kommt vorbei, um mit uns zu besprechen, wo wir demnächst hinziehen. Diesmal, sagt sie, können wir uns unsere Namen selbst aussuchen. Das ist erstaunlich schwierig. Ich will einen coolen Namen, so was wie Spike. Mum blättert in Promi-Zeitschriften und schlägt beknackte Mutter-Sohn-Namenskombinationen von irgendwelchen Berühmtheiten vor, Jordan und Junior zum Beispiel, oder Gwen und Zuma, Angelina und Knox, Maddox oder Pax. Pax geht ja noch gerade, aber ich glaube, sie macht sowieso nur Witze. Ich kontere mit Marge und Bart, aber das will sie nicht.
    Maureen sagt, wir sind beide albern und sollten ernsthaft an die Sache rangehen. Also einigen wir uns auf Melanie und Jake. Mel und Jake Ferguson. Der Nachname stammt von mir, nach Sir Alex, dem Trainer von Manchester United. Es wäre fantastisch, zu seiner Familie zu gehören, außer dass er mich oft anbrüllen würde, denn so ist er nun mal.
    An einem brennend heißen Augusttag verlassen wir das Hotel, und Doug fährt uns in eine andere Kleinstadt, diesmal an der Küste, wo kreischende Möwen am Himmel kreisen, mit einem baufälligen Pier und einem lang gestreckten grauen Strand.
    Diesmal haben wir eine Wohnung, zwar klein, aber hell und weiß und es riecht nach frischer Farbe, und oben ist |343| eine Ausziehleiter, die auf ein Flachdach führt, von wo aus man das

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