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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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mehr treffen dürfen? Ich erzähle dir gar nichts. Ich rede nicht mal mit dir!«
    Ich stelle den Fernseher lauter. Sie baut sich vor dem Bildschirm auf und streckt die Hand nach der Fernbedienung aus.
    |333| »Gib her.«
    »Nein.«
    »Gib sie mir!«
    »Zwing mich doch! Dass ich nicht lache!«
    Sie kann mich nicht dazu zwingen. Ich bin größer und stärker als sie. Diese Erkenntnis macht mich so fertig, dass ich ihr die Fernbedienung nach ein paar Sekunden wütendem Schweigen vor die Füße schmeiße.
    »Lass mich in Ruhe, du verfluchte Einmischerin«, brummle ich, aber auf Türkisch, weshalb sie nicht drauf eingeht.
    »Und jetzt! Erzählst du mir! Alles!«, befiehlt sie.
    »Das weißt du doch längst   … Ich hab’s doch schon erzählt.«
    »Hast du nicht. Du hast keine Einzelheiten erzählt.«
    »Es war an dem Tag mit dem Vorfall im Schwimmbecken. Du warst bei Gran im Krankenhaus. Meine Kontaktlinsen sind unter Wasser rausgefallen und Claire hat gesehen, dass ich grüne Augen habe. Sie hat nachgefragt und ich musste sie   … ich musste ihr Angst einjagen   … damit sie es niemandem weitersagt.«
    »Und was hast du verdammt noch mal gemacht? Du   … du hast sie doch nicht etwa geschlagen?«
    »Quatsch!«
    »Gott sei Dank! Was denn?«
    »Ich habe sie an den Handgelenken gepackt   … und irgendwie zugedrückt.«
    »Aha. Wie kommst du bloß auf so was? Claire ist so ein zartes kleines Ding. Wie konntest du nur!« Sie setzt sich |334| in den Sessel, was viel angenehmer ist, als wenn sie sich vor mir aufbaut. Ihr Gesicht sieht ganz verzerrt aus.
    »Ich hab mich ja bei ihr entschuldigt. Und ich hab ihr erklärt   … ich hab ihr erklärt, wieso   …«
    Ich halte inne. Ihre Augen sind weit aufgerissen, ihr Mund steht offen.
    »Was meinst du mit   … erklärt?«, fragt sie langsam.
    Oh Gott.
    »Ich habe ihr nur   … irgendwie erklärt, dass es ein Geheimnis bleiben muss.«
    »Was genau hast du   … irgendwie erklärt?«
    Ich sag’s ihr nicht. Ich hab echt Angst vor ihr.
    »Nur, dass es ein Geheimnis bleiben muss.«
    »Das glaube ich dir nicht. Wieso hat sie gesagt, dass sie es verstanden hat?«
    »Sie ist sehr verständnisvoll.«
    »Sag mir genau, was du ihr erzählt hast. Sonst gehe ich sofort wieder zu ihnen und frage Claire selbst und blamiere dich so, dass sie am Ende nie wieder mit dir reden will.«
    Ich kann’s nicht glauben, dass meine Mutter so was abzieht. Gran würde mich nie so behandeln.
    »Ich hab’s ihr erzählt! Das mit dem Zeugenschutzprogramm und dass ich Ty und Joe bin und alles. Aber sie erzählt nichts weiter. Es ist alles in Ordnung.«
    »Ty! Was hast du dir dabei gedacht? Du hast Claire in Gefahr gebracht.«
    »Nein   … sie erzählt es ja keinem weiter. Claire ist zuverlässig, glaub mir.«
    |335| »Du solltest niemandem davon erzählen! Wie konntest du nur? Jetzt ist sie in Gefahr und du bist sogar noch mehr in Gefahr. Wenn sie sich nun verplappert? Wenn jemand sie in die Finger kriegt und mit ihr das macht, was die Typen mit Gran gemacht habe? Ich muss sofort Doug anrufen!«
    »Bitte, Nicki, bitte,
bitte
… ich flehe dich an, Nic, bitte ruf ihn nicht an!«
    »Herrgott, Ty, was ist bloß in dich gefahren? Du warst doch immer so vernünftig, so umsichtig   … so lieb.«
    »Sei still! Ich hasse dich!« Ich habe keine Kontrolle mehr über meine Lautstärke, ich brülle fast.
    »Sprich nicht so mit mir!«, faucht sie zurück. »Es ist völlig inakzeptabel, dass du jedem Mädchen, das dir gefällt, die Wahrheit erzählst. Du bist um ein Haar erschossen worden, hast du das schon vergessen? Denk doch nur an Mr Patels Laden! Willst du, dass so etwas auch Claire passiert? Oder Ellie? Wir dürfen nicht noch mehr Schaden anrichten!«
    Ich fange wieder an zu betteln: »Bitte, Nic, bitte   …«
    »Hör mal, ich könnte mir für mich auch etwas Besseres vorstellen, kapiert? Ich habe gerade einen echt netten Typen kennengelernt, und schon ist der Wurm drin! So was passiert mir immer, schon mein ganzes beschissenes Leben lang.«
    Sie geht in die Küche, um Doug anzurufen, und ich trampele nach oben und schmeiße mich aufs Bett. Ich denke an alles, worauf ich mich als Joe gefreut habe. Im Sommer an richtigen Wettkämpfen teilnehmen. In die |336| Leichtathletikmannschaft aufgenommen werden. Eines Tages vielleicht sogar in die Fußballmannschaft. Die Party am Schuljahresende   – ich wollte Claire ein bisschen umstylen und mit ihr auf die Party gehen, und dann hätten alle gemerkt, wie

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