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Mehr als nur ein Zeuge

Mehr als nur ein Zeuge

Titel: Mehr als nur ein Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keren David
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interessiert sich nicht dafür, was ich will. »Hier brauche ich wenigstens kein Messer.« Vielleicht interessiert sie sich ja für meine Sicherheit.
    |105| »Man braucht nirgends ein Messer. Ich kann’s immer noch nicht fassen, dass du so dumm gewesen bist.«
    »Hier ist es eben sicherer. Außerdem   – was würde Gran dazu sagen?«
    »Wie jetzt,
was würde Gran dazu sagen?
Gran wäre überglücklich, uns beide wiederzusehen, uns wieder bei sich zu haben, wenn alles wieder wie vorher wäre   …«
    »Ganz bestimmt nicht. Gran hat damals gesagt, ich soll zur Polizei gehen. Sie hat gesagt, ich hätte keine andere Wahl und dass ich das Richtige tun muss.«
    »Ihr war nicht klar, was das nach sich zieht. Sie hat ja nicht geahnt, wie die Sache für uns ausgeht.«
    »Trotzdem.« Was hat Gran damals gesagt? »Ein junger Mensch ist gestorben, der das Leben noch vor sich hatte, und Tyler muss alles tun, um der armen Familie wenigstens Gerechtigkeit zu verschaffen.« Ich weiß, dass sie es genau so gemeint hat.
    »Ty, wenn wir so weitermachen, beruht unser ganzes Leben bald nur noch auf Lügen.«
    Ich bin müde und sauer und durcheinander und kann nicht richtig ausdrücken, was ich meine, aber es kommt mir so vor, als wäre mein ganzes Leben gerade dann eine einzige Lüge, wenn ich diese eine entscheidende Chance, die Wahrheit zu sagen, vermassele.
    »Wir können nicht weglaufen, damit hört die Lügerei nicht auf«, sage ich und merke sofort, dass ich es total schief ausgedrückt habe.
    Es hat keinen Zweck. Ich weiß nicht, ob ich sie noch umstimmen kann. Jedenfalls nicht mit Reden. Darum |106| mache ich das, was sie gestern von mir erwartet hat. Ich umarme sie   – Gott, ist sie dünn, und sie riecht nach abgestandenem Rauch statt nach Blumen   –, drücke sie an mich und sage: »Bitte, bitte, Nic, lass mich hierbleiben! Sag der Polizei nichts von dem Messer, lass bitte alles, wie es ist.«
    Wange an Wange sitzen wir auf dem Bett, keiner sagt was. Dann klopft es unten. Ich zucke zusammen, aber sie meint: »Das wird Doug sein. Ich habe ihm schon erzählt, dass wir von hier verschwinden. Er ist losgefahren, um ein paar Anrufe zu tätigen.«
    Sie geht runter und macht auf und ich höre sie sagen: »Nein, ich hab’s mir nicht anders überlegt.«
    Dann höre ich Stimmen und Doug ruft: »Kommst du bitte mal runter, Tyler?« Die ganze Zeit hat er so ein Trara darum gemacht, mich Joe zu nennen, und jetzt passt es mir nicht, dass er einfach damit aufhört. Ich spüre schon, wie sich mein Joe-Sein auflöst.
    Ich gehe mit gesenktem Kopf die Treppe runter, und erst als ich in der Diele stehe, stelle ich fest, dass DI Morris auch da ist. Er hat seinen Kumpel DC Bettany dabei. Die drei sehen nicht so freundlich aus wie beim letzten Mal. »Tag, Ty«, sagt DI Morris. »Ich glaube, wir haben etwas zu besprechen.«
    »Ich möchte auch dabei sein«, sagt Mum. »Sie dürfen nicht mit einem Minderjährigen allein reden.«
    Ich will aber allein mit DI Morris reden. Ich will ihm sagen, dass das Ganze nicht meine Idee war. Ich will die Beamten fragen, was passiert, wenn wir nach Hause gehen |107| – nicht nur mit mir, sondern mit allen Beteiligten. Aber sie kommt mit, dreht sich kurz vor dem Wohnzimmer noch mal um und sagt: »Vielleicht könnten Sie uns Tee machen, Doug?«
    DI Morris setzt sich und zieht einen Ordner aus der Aktentasche. DC Bettany holt sein Notizbuch raus. »Ich habe gehört, dass Tyler seine Aussage widerrufen will«, sagt DI Morris zu Mum, »aber dieser Fall schreitet rasch voran, ständig tauchen neue Indizien auf. Wir haben noch ein paar Fragen an ihn, und es wird nicht das letzte Mal sein.«
    »Ich habe nie behauptet, dass ich meine Aussage zurückziehen will«, unterbreche ich ihn. »
Sie
hat das entschieden. Aber es ist meine Aussage, oder? Ich kann selber bestimmen, ob ich aussage oder nicht.«
    »Schon, aber natürlich sind die Mitwirkung und die Zustimmung deiner Mutter unerlässlich, wenn wir das Zeugenschutzprogramm aufrechterhalten wollen.« Er kratzt sich am Kopf. »Ich schätze, wenn du drauf bestehst und bei deiner Aussage bleibst und sie nicht bereit ist, dich zu unterstützen, müssten wir jemand anderen finden, der als eine Art gesetzlicher Vertreter deine Sicherheit gewährleisten kann. Deine Mutter könnte nach Hause fahren und du könntest im Zeugenschutzprogramm bleiben.«
    Ein Vormund? Müsste das dann nicht Gran sein?
    »Wer   … wer kommt denn dafür infrage?«, erkundige ich mich

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