Mehr als nur ein Zeuge
hoffnungsfroh, ohne Mum dabei anzusehen.
»Wir würden vermutlich einen Sozialarbeiter suchen |108| und dich bei ihm in Pflege geben«, antwortet er und sieht mich und Mum aufmerksam an. Er sieht, dass sie bei dem Wort »Sozialarbeiter« zusammenzuckt. Anscheinend hat sie Probleme damit.
Ich verfolge das mit dem Vormund nicht weiter. »Aber selbst wenn wir wieder nach London gehen und ich nicht aussage, sind diese Typen trotzdem hinter uns her, oder? Sozusagen als Vorsichtsmaßnahme, oder?«
DI Morris seufzt. »Schwer zu sagen. Ich würde nicht unbedingt drauf bauen, dass man euch in Ruhe lässt. Außerdem hat der Fall ganz schön Wellen geschlagen. Gut möglich, dass ihr in eurem früheren Viertel ziemlich angefeindet werdet.«
»Was soll das nun wieder heißen?«, fragt Mum dazwischen. »Vielleicht denken Sie sich das alles auch nur aus, damit Ty seine Aussage macht. Sie dürfen ihn überhaupt nicht beeinflussen.«
»Mum, es wäre für alle viel einfacher, wenn wir nicht unter Polizeischutz stehen müssten. Und die Brandbombe haben sich die Beamten schließlich auch nicht ausgedacht.«
DI Morris beobachtet uns, dann verkündet er: »Tyler Lewis, hör mir gut zu. Ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen, die möglicherweise dazu führen, dass du wegen einer Straftat belangt wirst. Du brauchst dich überhaupt nicht dazu äußern, aber es könnte dir schaden, wenn du jetzt etwas verschweigst, worauf du dich später vor Gericht berufst. Alles, was du sagst, kann gegen dich verwendet werden.«
|109| Mum schnappt nach Luft. Mir wird kotzübel. Ich weiß, dass wir beide dasselbe denken. Irgendwie hat er das mit dem Messer rausgekriegt.
»Gut«, sagt er, »ich möchte dich fragen, wie es an der St. Saviours mit Drogen bestellt ist. Hast du jemals Geld für Drogen angenommen? Wir haben Grund zu der Annahme, dass du etwas über Cannabis-Verkäufe wissen könntest.«
Jetzt ist die Kacke am Dampfen. Mum weiß nicht, über wen von uns beiden sie zuerst herfallen soll. Zum Glück entscheidet sie sich für DI Morris. »Beschuldigen Sie meinen Sohn etwa, mit Drogen gehandelt zu haben?«, faucht sie ihn an. »Wenn ja, dann möchte ich sofort einen Anwalt hinzuziehen!«
»Ich stelle Tyler lediglich einige ergänzende Fragen«, weicht DI Morris geschickt aus. »Er weiß, dass er auch schweigen kann.«
»Damit Sie ihn anschließend erpressen können, auszusagen? Das haben Sie doch vor, stimmt’s?«
»Keineswegs. Sie bringen hier ernsthafte Anschuldigungen vor. Wenn Sie mit der Art und Weise, wie diese Befragung abläuft, nicht einverstanden sind, schlage ich vor, dass Sie sich mit der unabhängigen Polizeibeschwerdestelle in Verbindung setzen.«
»Dann erklären Sie mir, wie Sie darauf kommen! Hat jemand Tyler beschuldigt? Haben Sie einen zugedröhnten Jugendlichen mit den Taschen voller Haschisch aufgegriffen, und der Junge hat alles auf Ty und Arron geschoben, weil er weiß, dass sie etwas mit der Messerstecherei |110| im Park zu tun haben?« Mum ist so wütend, dass sie beim Sprechen Spucketröpfchen sprüht.
So geht es eine ganze Weile hin und her – es ist echt irre, Nicki wieder auf dem Höhepunkt ihrer Überschallschlagkraft zu erleben –, und ich denke inzwischen fieberhaft nach. Ich bin mir ziemlich sicher, worauf Morris hinauswill. Mir ist fast schwindlig vor Erleichterung, dass es nichts mit meinem Messer zu tun hat.
»War das Kenny Pritchard?«, frage ich.
»Halt verdammt noch mal die Klappe, Ty!« Mum wirft mir einen Mit-dir-befasse-ich-mich-später-noch-Blick zu.
»Was ist denn mit Kenny Pritchard, Ty?« Er grinst verstohlen, und ich weiß, dass ich ins Schwarze getroffen habe.
»Das ist doch die Höhe«, schimpft Mum. »Du sagst überhaupt nichts mehr, Ty.« Dann zischt sie DI Morris an: »Unerhört! Besorgen Sie ihm sofort einen Anwalt!«
»Kenny hat mir mal einen Umschlag gegeben«, sage ich, »und hat gesagt: ›Gib den Mackenzie.‹ Ich wusste nicht, was drin war, und Arron hat es mir nicht verraten. Das ist alles.«
»Na also!«, sagt Mum. »Dieser kleine Mistkerl Arron. Tyler hat damit nichts zu tun.«
DI Morris scheint skeptisch. »Stimmt das wirklich, Tyler? Willst du nicht noch mal überlegen?«
Arron hat mir wirklich nicht verraten, worum es dabei ging, und ich hab ihn bestimmt nicht gefragt. Also weiß ich offiziell überhaupt nichts. Ich hatte so meine Vermutungen, aber das geht ja niemanden was an, oder?
|111| »Ich hab da echt null Checkung gehabt«, sage ich, woraufhin
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