Mehr als nur Traeume
das Geschäft. Die größten und teuersten Bücher lagen mit dem Gesicht nach oben auf einem Tisch, und er fuhr mit den Fingerspitzen über die glänzenden Einbandfotos.
»Sie sind prächtig«, flüsterte er.
»Hier ist Ihre Königin Elizabeth«, sagte Dougless, eine große bebilderte Ausgabe hochnehmend.
Als hätte er fast Angst davor, das Buch zu berühren, nahm er es Dougless aus der Hand. Er hatte keine Worte, um ihr ausdrücken zu können, was er beim Anblick so vieler Bücher empfand. Bücher waren kostbar und rar, und ihren Besitz konnten sich nur die reichsten Leute leisten. Wenn sie Bilder enthielten, waren das Holzschnitte oder handkolorierte Illustrationen.
Er öffnete das Buch, das er in der Hand hielt, und fuhr mit der Hand über die bunten Illustrationen hin. »Wer hat diese gemalt? Gibt es denn in Eurer Zeit so viele Maler?«
»Sie werden von Maschinen gemacht.«
Nicholas betrachtet das Bild von Königin Elizabeth. »Schaut Euch ihre Gewänder an. Ist das die neue Mode? Meine Mutter müßte sie eigentlich kennen.«
Dougless suchte nach dem Datum. 1582. Sie nahm ihm das Buch wieder aus der Hand. »Ich bin nicht sicher, ob Sie die Zukunft betrachten sollten.« Was sagte sie da?! 1580 bezeichnete sie als Zukunft? »Hier ist ein hübsches Buch.« Sie gab ihm eine bebilderte Ausgabe mit der Überschrift »Vögel der Welt.«
Doch Nicholas hätte fast das Buch fallen lassen, weil in diesem Moment die Stereoanlage, die bisher stumm gewesen war, plötzlich zu spielen anfing. Nicholas blickte sich im Laden um. »Ich sehe keine Musikanten. Und was ist das für eine Musik? Ist das Ragtime?«
Dougless lachte. »Wo haben Sie denn schon mal von Ragtime gehört? Nein, ich meinte, Ihr Gedächtnis scheint sich nun wieder einzustellen.« Doch während sie das sagte, mochte sie nicht so recht daran glauben.
»Mrs. Beasley«, erwiderte er, sich auf ihre Pensionswirtin beziehend. »Ich habe es ihr von ihrer Musik vorgespielt.«
»Worauf haben Sie es ihr vorgespielt?«
»Es sieht aus wie eine große Klavizimbel; klingt aber ganz anders.«
»Vermutlich ein Piano.«
»Ihr habt mir noch nicht verraten, was die Quelle dieser Musik ist.«
»Es ist klassische Musik - Beethoven vermutlich -, und sie kommt aus einer Kassette in einer Maschine.«
»Maschinen«, flüsterte er. »Immer wieder Maschinen.«
Dougless begann zu verstehen, wie diese neue Welt auf ihn wirken mußte. Er ist ein Mann, der sein Gedächtnis vollkommen verloren hat, nicht ein Mann aus dem sechzehnten Jahrhundert, ermahnte sie sich. Vielleicht würde Musik helfen, sein Erinnerungsvermögen zurückzuholen.
An einer Wand fand sie eine Auswahl von Tonbandkassetten. Sie suchte Beethoven, ein Potpourri aus La Traviata und irische Volksmusik heraus und meinte, als sie ein Band der Rolling Stones in den Händen hatte, daß sie lieber etwas Modernes wählen sollte, um dann über sich selbst zu lachen. »Mozart ist ganz was Neues für ihn«, sagte sie und nahm das Band der Stones nun doch mit. Sie kaufte auch noch ein billiges Tonbandgerät mit Ohrstöpseln, damit er die Musik hören konnte.
Als sie zu Nicholas zurückkehrte, befand er sich in der Papierwarenabteilung und befühlte dort interessiert allerlei Briefpapiere. Dougless zeigte ihm Filzschreiber, Kugelschreiber und Schreiber mit automatischem Wechsel mehrfarbiger Minen. Er machte ein paar Kritzeleien auf Testpapier; aber es waren keine Worte. Dougless überlegte, ob er überhaupt lesen und schreiben konnte, aber sie fragte ihn nicht danach.
Sie verließen den Laden mit einer zweiten Einkaufstüte, die diesmal mit Spiralblöcken, Filzschreibern in allen erdenklichen Farben, sechs Reisebüchern, Tonbandkassetten und einem Tonbandgerät gefüllt war. Von den Reisebüchern hatte eines England, eines Amerika und zwei die ganze Welt zum Thema. Einem Impuls folgend, hatte sie einen Satz von Winsor-Newton-Aquarellen gekauft und einen Zeichenblock für Nicholas. Sie hatte irgendwie das Gefühl, daß er gern etwas malen wollte. Sie nahm auch eine Taschenbuchausgabe von Agatha Christie mit.
»Könnten wir das jetzt alles ins Hotel zurückbringen?« fragte Dougless. Ihre Arme begannen zu schmerzen unter dem Gewicht ihrer Einkäufe.
Doch Nicholas war abermals stehengeblieben, diesmal vor dem Schaufenster eines Damenmodengeschäfts. »Ihr werdet Euch neue Kleider kaufen wollen«, sagte er, und es war eher ein Befehl.
Dougless gefiel der Ton seiner Stimme nicht. »Ich habe ja meine eigenen Kleider, und
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