Mehr als nur Traeume
Hand ein Hörnchen, mit der anderen Hand behutsam eine Seite nach der anderen umblätternd.
Das Baumwollhemd spannte sich über seinen Rückenmuskeln, die Hose um seine Schenkel. Schwarze Locken streiften den Hemdkragen.
»Hier ist es!« rief Nicholas, rollte sich auf den Rücken und setzte sich so rasch auf, daß Dougless ihren Tee verschüttete. »Mein neuestes Haus ist hier.« Er schob ihr das Buch zu, während sie ihre Tasse abstellte.
»Thornwyck Castle«, las sie, »von Nicholas Stafford, Earl of Thornwyck, 1563 erbaut. . .« Sie warf ihm einen Blick zu. Er lag auf dem Rücken, ein seliges Lächeln auf dem Gesicht, als hätte er soeben einen Beweis für seine Existenz gefunden. »...von Königin Elizabeth I. 1564 konfisziert, als . ..« Ihre Stimme verebbte.
»Lest weiter«, sagte Nicholas nun mit ernstem Gesicht.
». .. als der Graf des Hochverrats für schuldig befunden und zum Tode auf dem Richtblock verurteilt wurde. Es bestanden Zweifel an seiner Schuld; aber alle Ermittlungen wurden eingestellt, als man .. .« Dougless’ Stimme sank fast zu einem Flüstern herab »... den Grafen drei Tage vor seiner Hinrichtung tot an seinem Schreibtisch über einem .. .« Sie blickte hoch und flüsterte: ».. . angefangenen Brief an seine Mutter fand.«
Nicholas blickte eine Weile zu den Wolken hinauf und schwieg. »Steht dort auch, was aus meiner Mutter wurde?« fragte er schließlich.
»Nein. Es folgt lediglich eine Beschreibung des Schlosses, das nie ganz fertig wurde, und daß es dann nach dem Bürgerkrieg - Ihr Bürgerkrieg, nicht unserer - teilweise verfiel, bis es 1824 für die Familie James renoviert wurde. Und nun . ..« sie stockte, ». .. nun ist es ein exklusives Hotel mit einem Zwei-Sterne-Restaurant.«
»Mein Schloß ein öffentliches Gasthaus?« fragte Nicholas offensichtlich entsetzt. »Es sollte ein Mittelpunkt der Bildung und Gelehrsamkeit werden. Es war .. .«
»Nicholas, das ist viele hundert Jahre her. Verstehen Sie denn nicht? Vielleicht könnten wir dort ein Zimmer bestellen. Wir könnten sogar in Ihrem Haus wohnen.«
»Ich soll für einen Aufenthalt in meinem eigenen Haus bezahlen?«
Sie hob resignierend beide Hände. »Okay, dann eben nicht. Wir werden hierbleiben und die nächsten zwanzig Jahre mit Einkaufen verbringen.«
»Ihr habt eine scharfe Zunge.«
»Ich stehe nur für meine Meinung ein.«
»Und für Männer, die Euch im Stich gelassen haben.«
Sie wollte sich von der Decke erheben; aber er griff nach ihrer Hand und hielt sie fest.
»Ich werde bezahlen«, sagte er, zu ihr hochsehend. Er ließ ihre Hand nicht los, sondern begann, ihre Finger zu liebkosen. »Ihr werdet bei mir bleiben?«
Sie entzog ihm ihre Hand. »Ein Vertrag ist ein Vertrag. Wir werden herausfinden, was Sie wissen müssen, und Sie können vielleicht den Namen ihres Vorfahren reinwaschen.«
Nicholas lächelte. »Ich bin also jetzt mein eigener Vorfahre.«
Sie stand auf, ging ins Haus und suchte die Nummer von Thornwyck Castle heraus. Zunächst teilte ihr der Angestellte, der für Reservationen zuständig war, mit hochmütiger Stimme mit, daß man Zimmer ein Jahr im voraus bestellen müsse; aber dann gab es eine kurze Unterbrechung, die von einem kleinen Tumult begleitet war, ehe sich der Angestellte wieder meldete und sagte, ihre beste Suite sei soeben unerwartet frei geworden. Dougless buchte sie.
Als sie auflegte, wurde ihr bewußt, daß sie gar nicht überrascht gewesen war über diesen ungewöhnlichen Zufall. Es schien, als ob da eine Art von Wunschtherapie wirksam sei. Jedesmal, wenn sie sich etwas wünschte, bekam sie es auch. Sie wünschte sich einen Ritter in schimmernder Rüstung, und er erschien (ein Verrückter, der glaubte, aus dem sechzehnten Jahrhundert zu stammen; aber immerhin ein Mann in schimmernder Rüstung). Sie wünschte sich Geld, und er hatte einen Beutel mit Münzen bei sich, die mehrere hunderttausend Pfund wert waren. Nun brauchte sie ein Zimmer in einem exklusiven Hotel, und natürlich wurde in diesem Augenblick eines für sie frei.
Sie nahm Glorias Armband aus der Tasche und betrachtete es. Es sah aus wie etwas, das ein reicher fetter, alter Mann seiner zwanzig Jahre jüngeren Mätresse schenken würde. Was konnte sie sich im Zusammenhang mit Robert wünschen? Daß er zu der Erkenntnis kommen sollte, seine eigene Tochter sei eine verlogene Diebin? Sie wollte nicht, daß irgendein Elternteil sein eigenes Kind verachten sollte. Wo blieb sie also in ihrem Verhältnis zu Robert?
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