Mehr als nur Traeume
Gänsedaunen gefüllt und so weich wie ein Flüsterhauch. Sie schlief bereits, ehe sie die Zudecke ganz über sich gezogen hatte.
Sie wußte nicht, wie lange sie geschlafen hatte, als sie von dem Gefühl erwachte, daß jemand nach ihr gerufen habe. Sie hob den Kopf, lauschte, hörte nichts und legte den Kopf ins Kissen zurück. Doch dieses Gefühl, daß da jemand nach ihr verlangte, wollte nicht weichen. Es war still im Zimmer, aber ihre innere Unruhe hielt an.
»Nicholas!« sagte sie und setzte sich kerzengerade auf.
Dougless blickte kurz auf den Rücken der schlafenden Honoria und kroch dann aus dem Bett. Am Fuß der Bettstatt lag eine Robe aus schwerem Brokatstoff, die sie sich überwarf, und sie schlüpfte in ihre weichen Schuhe. Das elizabethanische Korsett mochte zwar mörderisch sein, doch die Schuhe waren das genaue Gegenteil.
Leise verließ sie das Zimmer, stand dann vor der geschlossenen Tür und lauschte. Es herrschte absolute Stille, und da der Boden mit Stroh ausgelegt war, hätte sie jeden Schritt hören müssen. Sie wandte sich nach rechts, denn der Ruf, den sie empfing, wurde dort immer stärker. Sie trat an eine verschlossene Tür, legte die Hand darauf und empfand nichts dabei. Die gleiche Reaktion bei der nächsten Tür. Erst an der dritten Tür konnte sie den Ruf vernehmen.
Sie öffnete die Tür und war überrascht, als sie dort Nicholas, bekleidet mit der eng anliegenden Strumpfhose und der gebauschten kurzen Hose darüber, die man hier »Slops« nannte, auf einem Stuhl sitzen sah. Sein weites Leinenhemd war an der Taille offen. Im Kamin brannte ein Feuer, und Nicholas hielt einen silbernen Humpen in der Hand. Es sah so aus, als habe er ihn bereits einmal geleert.
»Was willst du von mir?« fragte Dougless. Sie fürchtete sich inzwischen vor diesem Mann, der so gar nicht dem Nicholas glich, der zu ihr ins zwanzigste Jahrhundert gekommen war.
Er blickte sie nicht an, starrte nur ins Feuer.
»Nicholas, ich bin sehr müde und möchte gern wieder ins Bett zurück. Wenn es dir also nichts ausmacht, dann sage mir jetzt, was du von mir willst, damit ich weiterschlafen kann.«
»Wer seid Ihr?« fragte er leise. »Woher kenne ich Euch?«
Sie setzte sich in einen Stuhl neben dem seinen und blickte in die Kaminflammen. »Wir sind irgendwie aneinandergebunden. Ich kann das nicht erklären. Ich rief nach Hilfe, und du kamst zu mir. Ich brauchte dich, und du hörtest meinen Ruf. Du hast mir .. .« Liebe gegeben, hätte sie beinahe gesagt. Aber das schien schon so weit zurückzuliegen, und dieser Mann wirkte auf sie fast wie ein Fremder. »Nun scheine ich an der Reihe zu sein, dir zu helfen. Ich bin gekommen, um dich zu warnen.«
Er blickte sie an. »Mich zu warnen? Ah ja, ich darf keinen Verrat begehen.«
»Du kannst dir deinen Zynismus sparen. Wenn ich schon von so weit hergekommen bin, um dich zu warnen, könntest du mich wenigstens anhören. Aber wenn du keine Zeit dafür hast, weil du den Frauen dauernd unter die Röcke greifen mußt...«
Sie konnte sehen, wie sein Gesicht dunkelrot anlief vor Wut. »Ihr, die Ihr mit Eurem Hexenzauber meine Mutter verwirrt habt und Euch schamlos meinem Bruder anbietet, wagt es, übel über mich zu reden?«
»Ich bin keine Hexe. Das habe ich dir schon tausendmal gesagt. Ich habe mir lediglich Zutritt in eurem Haus verschafft, damit ich dich warnen kann.« Sie stand auf und versuchte sich zu beruhigen. »Nicholas, wir müssen aufhören, uns zu streiten. Ich bin in die Vergangenheit zurückgeschickt worden, um dich zu warnen, aber wenn du mich nicht anhören willst, wird das Unglück so oder so seinen Lauf nehmen. Kit wird ...«
Er sprang von seinem Stuhl auf und schnitt ihr, sich drohend über sie beugend, das Wort ab: »Seid Ihr gerade aus dem Bett meines Bruders gekommen, als Ihr in mein Zimmer tratet?«
Dougless überlegte nicht lange, was das für Konsequenzen haben konnte: Sie gab ihm eine Ohrfeige.
Er packte sie, zog sie an sich, drückte ihren Körper mit dem seinen nach hinten und küßte sie hart und zornig.
Dougless konnte es nicht leiden, wenn ein Mann Gewalt anwendete, um sie zu küssen, und so suchte sie ihn mit aller Kraft von sich wegzuschieben. Aber er wollte sie nicht loslassen, faßte mit einer Hand ihre Haare und zog ihren Kopf zur Seite, während er die andere Hand auf ihr Kreuz legte und sie auf intime Weise an sich preßte.
Dougless wehrte sich nicht länger gegen ihn. Das war Nicholas - der Nicholas, den sie liebte und von dem selbst
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