Mehr als nur Traeume
geschehen.«
»Kein Leid geschehen«, wiederholte Dougless fassungslos. Wenn ein Kind im zwanzigsten Jahrhundert so behandelt worden wäre, hätte man es den Eltern weggenommen und diese strafrechtlich verfolgt, aber Nicholas sagte, daß dem Kind nichts fehle. »Nimm ihn von der Wand herunter«, sagte sie.
»Herunter? Aber dort ist er doch sicher. Es gibt keinen Grund, ihn .. .«
Dougless fauchte ihn an: »Nimm ihn herunter!«
Mit einem Achselzucken und einem Blick an die Decke nahm Nicholas das Kind vom Haken herunter und hielt ihn mit ausgestreckten Armen von sich, damit es seinen Vater nicht »bekleckerte«. So trug er es, mit beiden Händen an den Schultern gepackt, zu Dougless. »Und was soll ich nun mit ihm machen?«
»Wir werden ihn baden und ordentlich anziehen. Kann er gehen? Sprechen?«
Nicholas blickte sie erstaunt an. »Woher soll ich das denn wissen?«
Dougless Lider zuckten. Da lag mehr als nur Zeit zwischen ihren beiden Welten. Es dauerte eine Weile, bis Dougless durchsetzen konnte, daß man ihr einen großen Holzeimer und heißes Wasser in dieses Zimmer brachte. Nicholas murrte, klagte, ja fluchte sogar, aber sie wickelte seinen schmutzigen, übelriechenden Sohn aus der Leinwand und steckte ihn in das warme Wasser. Der arme Kerl war von der Hüfte bis zu den Zehen hinunter wund von seinem Urin. Dougless benützte ein Stück von ihrer kostbaren Seife, um ihn vorsichtig zu waschen.
Einmal kam die Amme des Kindes herein. Sie war sehr erregt und behauptete, Dougless würde das Kind umbringen. Nicholas wollte sich zunächst nicht einmischen - vermutlich teilte er die Ansichten dieser Person bis Dougless ihn wütend anfunkelte und er die Amme wieder aus dem Raum schickte.
Das warme Wasser machte den Jungen sichtlich munter, und Dougless argwöhnte, daß die Binden so fest gewickelt worden waren, daß die Blutzirkulation behindert und der Junge in eine Art Dämmerzustand versetzt wurde. In diesem Sinn äußerte sie sich auch Nicholas gegenüber.
»Das machen alle Ammen. So halten die Kinder still. Sobald man die Binden lockert, fangen sie an zu plärren.« »Ich möchte mal erleben, was du machen würdest, wenn man dich in so eine feste Windel gepackt und an die Wand gehängt hätte! Du würdest Zeter und Mordio schreien.«
»Ein Kind hat keinen Verstand.« Ihm schien jedes Verständnis für ihre Worte und ihr Verhalten zu fehlen.
»Er hat jetzt den Verstand, mit dem er eines Tages nach Yale kommen wird.«
»Yale?«
»Ach, nichts. Hat man in eurer Zeit bereits die Sicherheitsnadeln erfunden?«
Dougless mußte Windeln improvisieren. Nicholas protestierte, als Dougless mit einer Diamant- und einer Smaragdbrosche die Zipfel der Windel feststeckte. Sie wünschte sich, sie hätte etwas Zinksalbe in ihrer Reisetasche, mit der sie die wunden Hautstellen des Kindes hätte behandeln können.
Als der Junge endlich sauber, trocken und eingepudert war (dank einer Gratisprobe, die sie in einem Hotel im Badezimmer gefunden und in ihre Reisetasche gepackt hatte), reichte sie ihn dem Vater zu. Nicholas nahm ihn mit einem halb entsetzten, halb verlegenen Gesicht entgegen, aber er hielt ihn tapfer auf dem Arm, und nach einer Weile lächelte er ihn sogar an. Das Kind lächelte zurück.
»Wie heißt er?« fragte Dougless.
»James.«
Sie nahm Nicholas den Jungen wieder ab. Es hatte bereits das gute Aussehen seines Vaters, dessen dunkles Haar und blaue Augen. Es zeigte auch schon ein kleines Grübchen im Kinn. »Laß doch mal sehen, ob du schon gehen kannst«, sagte Dougless, setzte das Kind auf den Boden, und nach ein paar unsicheren Schritten lief es in ihre ausgestreckten Arme.
Nicholas blieb bei ihr, während sie eine Stunde lang mit dem Kind spielte, und als sie ihn dann für die Nacht zurechtmachte, wurde sie wieder um eine Erfahrung reicher, was die elizabethanische Kinderpflege betraf: James’ Krippe hatte in der Mitte ein Loch, und das Kind wurde über Nacht mit dem Popo über dem Loch in der Krippe festgebunden, worauf wieder der Eimer daruntergestellt wurde.
Nicholas verdrehte nur die Augen, als sie eine Matratze für das Kind verlangte. Die Amme protestierte, und Dougless konnte diesmal ihren Standpunkt verstehen. Wenn das Kind keine Gummihose anhatte, würde die Matratze am Morgen schmutzig sein, und wie wollte sie Gänsendaunen von Urin und Kot reinigen? Dougless löste dieses Problem, indem sie ein Stück Wachstuch, aus dem Regenkleider angefertigt wurden, unterlegte. Die Amme tat, was
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