Mehr als nur Traeume
klopfte ein Mann an ihre Zimmertür» und sagte, daß sie ihm folgen solle. Sie wurde durch ein Labyrinth von Räumen in ein riesiges Speisezimmer mit einem mächtigen Kamin und einem Tisch geführt, der so lang war, daß man darauf hätte Rollschuh fahren können. Arabella, deren Vater, Nicholas und Lee saßen bereits am Tisch. Arabella trug, wie Dougless vermutet hatte, ein so tief ausgeschnittenes Kleid, daß sie von der Taille aufwärts so gut wie nackt war. Sie zeigte mehr, als Dougless überhaupt hatte.
So unauffällig wie möglich glitt Dougless neben Lee auf den Stuhl, den ein Diener für sie bereithielt.
»Ihr Boss mochte nicht eher essen bis Sie hier am Tisch sitzen«, wisperte Lee, als der erste Gang serviert wurde. »Was verbindet euch beide eigentlich? Ist er wirklich ein Nachkomme dieses Nicholas Stafford, den sie fast geköpft hätten?«
Dougless erzählte Lee die gleiche Geschichte, die sie der Köchin aufgetischt hatte. Inzwischen wußte vermutlich jeder Dienstbote im Haus, daß Nicholas ein Nachkomme dieses berüchtigten Stafford war und sich sehnlichst wünschte, den Namen seines Vorfahren reinzuwaschen.
»Ich bin froh, daß ich diese komische Arabella dazu gebracht habe, einen Vertrag zu unterschreiben, denn ich bin sicher, wenn er sie zuerst gefragt hätte, hätte sie ihn als ersten in das Papier blicken lassen. Schauen Sie sich die beiden an. So, wie sie ihn mit den Augen verschlingt, möchte sie es am liebsten gleich hier auf dem Tisch mit ihm machen - zum zweitenmal.«
Dougless erstickte fast an ihrem Lachs und mußte ein halbes Glas Wasser trinken, um den Schlund wieder frei zu bekommen.
»Was ist dieser Boss für Sie? Ihr beiden seid doch nicht etwa .. . Sie wissen schon.«
»Nein, natürlich nicht«, sagte Dougless und blickte zu Nicholas hinüber, der sich gerade zu Arabella hinüberlehnte.
Als sie sah, daß Nicholas hochblickte, rückte sie etwas näher an Lee heran. »Ich habe mir eben überlegt, Lee, daß Sie vielleicht übers Wochenende eine Sekretärin gebrauchen könnten, da mein Boss so beschäftigt zu sein scheint. Mein Vater ist Professor für mittelalterliche Geschichte, und ich habe einige Erfahrung als Helferin bei Recherchen.«
»Montgomery«, sagte Lee. »Montgomery. Doch nicht Adam Montgomery?«
»Das ist mein Daddy.«
»Ich habe bei ihm mal eine Vorlesung über die Wirtschaftsgeschichte des dreizehnten Jahrhunderts gehört. Brillant. So, er ist Ihr Vater. Vielleicht könnte ich ein bißchen Hilfe gebrauchen.«
Dougless konnte seine Gedanken förmlich lesen. Adam Montgomery wäre in der Lage, einem noch nach Reputation ringenden jungen Professor zu helfen. Aber Dougless störte das nicht. War Ehrgeiz nicht eine positive Charaktereigenschaft? Zudem konnte sie ihn ja glauben lassen, was er wollte, solange ihr das half, das Geheimnis zu entdecken, das Nicholas’ Mutter gekannt hatte.
»Der Koffer mit den Papieren befindet sich in meinem Zimmer«, sagte Lee, und sein Blick war entschieden wärmer, seit er erfahren hatte, wer ihr Vater war. »Vielleicht wollen Sie nach dem Dinner gern - äh - einen Besuch dort machen?«
»Klar«, sagte Dougless und sah sich im Geist schon den ganzen Abend hindurch um den Tisch mit dem Koffer herumlaufen, um seinen Avancen zu entgehen. Bei dem Stichwort Tisch sah sie wieder zu Nicholas hinüber und bemerkte, daß er wütende Blicke zu ihr hinüberwarf. Sie hob das Weinglas, nickte ihm zu und trank. Er blickte finster zur Seite.
Nach dem Dinner ging Dougless in ihr Zimmer zurück, um sich dort ihren Notizblock, ein paar Bürobedarfsartikel und ihre Handtasche zu holen. Sie dachte, es könnte nicht schaden, sich auf jeden Fall für eine lange Nacht vorzubereiten, die sie mit dem Kramen in vierhundert Jahre alten Papieren verbrachte.
Zweimal verirrte sie sich, weil sie auf der Suche nach Lees Zimmer an einer Korridordecke in die falsche Richtung abbog. Vor einer offenen Tür blieb sie stehen, als sie Arabella mit verführerischer Stimme sagen hörte: »Aber, Darling, ich fürchte mich nachts doch so.«
»Eigentlich«, hörte Dougless Nicholas antworten, »hätte ich geglaubt, daß Sie über solche kindischen Ängste längst hinweg sind.«
Dougless verdrehte die Augen.
»Kommen Sie, lassen Sie mich Ihr Glas nachfüllen«, sagte Arabella. »Und dann würde ich Ihnen gern etwas zeigen.« Sie senkte die Stimme. »In meinem Zimmer.«
Dougless schnitt eine Grimasse. Dummer Mann! Die Köchin hatte ihr anvertraut, daß Arabella jedem
Weitere Kostenlose Bücher